Anhang 2

Programm der Europa-Union (4. Februar 1940)

„Es ist kein Zufall, dass das Schweizer Modell in der Fachsprache auch als Konkordanzdemokratie (von lateinisch ‚concordia‘ = Eintracht) bzw. Konsensdemokratie bezeichnet wird. Einbinden statt überstimmen - das ist der Grundgedanke.“ (Michael Wolffsohn 2015: 46)

Im Winter 1939/40 erarbeitete die Europa-Union ihre Ziele auf politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet, welche dann auf einer Delegiertenversammlung am 4. Februar 1940 in Bern als Programm der Schweizer Europa-Union verabschiedet wurde.

Meines Erachtens kann man darin durchaus noch letzte Relikte des paneuropäischen Gedankens finden, welcher heutzutage bei den „Superstaat-Europäern“1 wieder verstärkt Zuspruch erfährt.

Diese Leitsätze wurden beim sMEF/AEF Vereinigungskongress vom 13. bis 15. April 1973 in Brüssel als eines von neun Grundlagendokumenten der Europäischen Föderalisten anerkannt. Diese Leitsätze wurden in der ‚Friedens-Warte‘ bereits im Januar 1940 noch vor ihrer Verabschiedung veröffentlicht.2

Ich habe den Leitsätzen noch eine von mehreren ergänzenden Erklärungen („Europa-Union und Weltunion“) vom April 1944 hinzugefügt, da sie mir besonders wichtig erscheint. Diese ergänzende Erklärung ist auch bei Walter Lipgens (1968: 382f) zu finden.

Leitsätze für ein neues Europa vom 4. Februar 1940

Die geschichtliche Situation des heutigen Europas

  1. Europa stellt aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung eine geistige und kulturelle Schicksalsgemeinschaft dar.

Anders als die orientalisch-russische Welt mit ihren magisch-passiv eingestellten, in Geistesunfreiheit verknechteten Volksmassen ist das Abendland durch einstige Nomadenvölker, die hier sesshaft wurden, zu einer Heimstätte national-kämpferischer Lebenseinstellung und freien kritischen Denkens gestaltet worden.

  1. Das eine geistige Grundelement, das die Ausbildung einer abendländischen Kultur ermöglichte, ist die Idee der Individualfreiheit.

Die abendländische Kulturentwicklung geht überall aus von der freien wehrhaften Volksgemeinde, die in ihrer Willensbildung auf die freie sittliche Mitverantwortung der einzelnen Volksgenossen angewiesen war. Auf der Grundlage ursprünglicher Volksfreiheit sind die kleinstaatlichen Bürgergemeinden der Antike und des Mittelalters zu ihren grundlegenden Kulturleistungen fähig geworden. Für das kollektive Machtstreben, das den abendländischen Völkern in urtümlicher Weise eigen ist, bildete das ebenso urtümliche liberaldemokratische Gemeinschaftsempfinden eine heilsame, kulturschöpferische Gegenkraft.

  1. Das zweite Grundelement, auf dem insbesondere die moderne Kultur beruht, ist die Idee der Menschenliebe.

Das überbordende Machtstreben des alten Römertums mündete in Söldnerwillkür aus; diese vernichtete zuletzt alle lokale Selbstverwaltung, alle politischen Individualfreiheit und damit die antike Kultur selber, die ohne ihre freiheitlichen Daseinsgrundlagen nicht lebensfähig war. Vor einem ähnlichen Schicksal ist die moderne abendländische Kultur bisher durch den Sieg der christlichen Liebesmoral und des modernen Humanitätsgedankens bewahrt worden. Heute aber wird Europa durch freiheitsfeindliche Lehren, die die Macht zum Selbstzweck erheben und die Versklavung schwacher Völker grundsätzlich gutheißen, von einer neuen Kulturkatastrophe bedroht.

  1. Nur eine europäische Bundesgemeinschaft ist heute imstande, die geistigen Daseinsgrundlagen der abendländischen Kultur vor den sie bedrohenden, zerstörerischen Gewalten zu schützen.

Zum Schutz gegen die drohend aufsteigende Staatsallmacht hat das Zeitalter der Aufklärung die Ideen der Individualfreiheit und der Menschenliebe, dieses kostbare Geisteserbe der heidnischen und christlichen Antike, zur Idee der Gewissensfreiheit verbunden. Der überbordende Machtwille der modernen Staaten kann nur gezähmt werden, wenn die Idee der Gewissensfreiheit überall in Europa wieder zum höchsten Wert erhoben wird. Dieses Ziel und damit die Rettung der abendländischen Kultur ist praktisch nur zu erreichen durch Beschränkung der einzelstaatlichen Souveränität und Bildung eines europäischen Bundesstaates.

Grundlagen eines Europäischen Bundes und einer wirksamen Bundesmacht

Vorbemerkung: Die Leitsätze gehen von dem Gedanken aus, dass die Gesundung Europas und die Vermeidung neuer Kriege nur durch eine grundlegende Neuordnung der europäischen Verhältnisse herbeigeführt werden kann. Diese Neuordnung soll die Basis für die Einigung der Völker in einer Europäischen Union, die Ersetzung des Krieges durch die Schiedsgerichtsbarkeit, die Befreiung der Wirtschaft von den sie einengenden Fesseln, die Lösung sozialer Spannungen, die Freiheit des Individuums und des Geisteslebens abgeben. In diesem Sinne sollen die Leitsätze ein Diskussionsbeitrag sein.

  1. Der Europäische Bund gibt sich eine bundesstaatliche Verfassung. Die Souveränität der einzelnen Bundesglieder (Länder) wird soweit eingeengt, als es die europäische Sicherheit sowie die freie menschliche Entwicklung in wirtschaftlicher, sozialer und geistiger Hinsicht erfordert.
  2. Die Verfassung des Bundes ist demokratisch. Politische Gesinnungsfreiheit und vollkommende Geistesfreiheit sind verfassungsmäßig garantiert.
  3. Die Verfassung und politisch-rechtliche Struktur der einzelnen europäischen Länder sind Landessache. Jedes Glied der europäischen Völkerfamilie bleibt in der Frage der Regierungsform selbständig.
  4. Die Dreiteilung der Gewalten (der gesetzgebenden, ausführenden und richterlichen) wird in der Verfassung festgelegt. Die Selbstverwaltung ist in überkommenen und neuen Formen weitgehend zu pflegen.
  5. Das Bundesparlament besteht aus zwei Kammern. Der Senat wird von den Regierungen der einzelnen Länder gewählt. Die Kammer der Abgeordneten wird von den wahlberechtigten Männern und Frauen der einzelnen Länder im Verhältnis zur Bevölkerungszahl gewählt. Die Aufgabe des Bundesparlaments besteht in der Sicherung der allgemeinen Rechtsgemeinschaft der Völker, in der Sicherung der finanziellen und militärischen Macht der Bundesorgane, in der Bestimmung er Außenpolitik des Bundes, in dem Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, in der Pflicht, Bestimmungen zur Herbeiführung einer einheitlichen Zoll- und Währungspolitik zu erlassen, sowie in der Förderung einer freien Entwicklung des sozialen Gemeinschaftslebens im gesamten Bundesgebiet.
  6. Die Bundesregierung besteht aus einem Kollegium von Bundesräten, die vom Bundesparlament auf eine bestimmte Zeit gewählt werden. Die Bundesräte sind für ihre Handlungen nur dem Bunde, nicht aber dem Lande ihrer Herkunft verantwortlich. – Die Bundesregierung wählt den jeweiligen Bundespräsidenten für die Dauer eines Jahres aus ihrer Mitte.
  7. Die Mitglieder des Parlaments und der Bundesregierung sind in jeder Beziehung unabhängig. Sie entscheiden nach freiem eigenen Ermessen. Es ist ihnen verboten, nach Instruktionen zu reden und zu stimmen.
  8. Die finanzielle und militärische Macht der Bundesorgane ist in der Verfassung sicherzustellen. Zu diesem Zweck schafft sich der Bund eine eigene Finanzhoheit, die sich vorzugsweise auf bestimmte Bundesmonopole und die Zölle gründet. Die militärische Macht des Bundes besteht aus einer internationalen Polizei, die sich aus einem ständigen Körper und aus Reserven zusammensetzt. Zur Bewaffnung dieser internationalen Polizei übernimmt der Bund von den Ländern die gesamten schweren Waffen, Tanks, Flugzeuge usw. nebst Munition und Zubehör. Den Ländern ist es verboten, derartige Waffen selbst zu halten oder für ihre Zwecke herzustellen. Der Bund bestimmt, wo die Bundestruppen ihren Dienst zu tun haben.
  9. Die Außenpolitik ist das ausschließliche Recht des Bundes, der für sämtliche ihm angeschlossene Länder handelt.
  10. Das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, ist gleichfalls Sache des Bundes.
  11. Zur Sicherung der Zusammenarbeit unter den europäischen Ländern und zur Regelung von Differenzen wird ein Bundesschiedsgericht bestellt, dessen Inanspruchnahme für alle Mitgliedstaaten obligatorisch ist. Die Tätigkeit des Schiedsgerichts regelt sich nach den bewährten Erfahrungen des Schweizer Bundesgerichts. Die Entscheidungen des Schiedsgerichts sind rechtsverbindlich. Ihre Durchsetzung ist Sache der Bundesexekutive. Die Mitglieder des Schiedsgerichts werden vom Bundesparlament auf drei Jahre gewählt. Wiederwahl ist zulässig.
  12. Die Zollpolitik ist ausschließlich Sache des Bundes. Die Zolleinnahmen fließen dem Bunde zu und dienen zur Deckung der Bundesausgaben.
  13. Der Bund treibt eine eigene Währungspolitik und führt eine einheitliche Währung ein.
  14. Der Bund beansprucht die Kontrolle über bestimmte Wirtschaftszweige, vor allem über die gesamte Rüstungsindustrie und das Flugwesen.
  15. Verfassungsmäßige Gegenstände der Bundesgesetzgebung sind vor allem Gleichstellung aller Bürger, der Geschlechter und Sprachen, Einführung einer völkerverbindenden Einheitssprache. Ferner die Sicherstellung der Freiheitsrechte aller Bürger, die Niederlassungsfreiheit in allen Bundesgebieten, die Schaffung eines europäischen Bürgerrechts auf Grund der Landeszugehörigkeit, die Einbürgerung aller Heimatlosen.
  16. Die Länder sind verpflichtet zum stufenmäßigen Abbau ihrer Zollpolitik, zum schrittweisen Abbau ihrer Währungspolitik, zum Abbau ihrer stehenden Heere, zur Übergabe ihrer schweren Waffen, Tanks, Flugzeuge, U-Boote usw. an den Bund.
  17. Alle europäischen Bürger haben von Geburt an einen gesetzlichen Anspruch auf: Pflege, Schulung, berufliche Ausbildung, Kranken-, Unfall-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung. Der Bund erlässt die hierzu erforderlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung des Prinzips der Selbstverwaltung.
  18. Die Länder unterhalten auf ihre Kosten lediglich eine Armee als Ordnungspolizei beschränkten Umfangs mit leichten Waffen.

Kulturelle Leitsätze eines Europäischen Bundes

  1. Jugenderziehung bis zur Hochschulreife:

Reform des heutigen Schulwesens im Sinne der Erziehung einer europäisch und demokratisch denkenden Jugend; Umgestaltung des Unterrichts, besonders auf dem Gebiete der Naturkunde und Geschichte, zur Hebung des kulturellen und religiösen Niveaus der europäischen Jugend; dementsprechende grundlegende Revision aller Lehrmittel.

Organisation und Verwaltung des Schulwesens liegen gleichmäßig in den Händen der politischen Regierungen und der kulturellen Selbstverwaltung, wobei der Lehrerschaft ein entsprechendes Mitspracherecht einzuräumen ist. Privatschulen und Versuchsschulen sind erlaubt. Sie haben nur insoweit einen Anspruch auf Bewilligung von Unterhaltsbeihilfen, als sie durch die Betreuung von Schülern den allgemeinen Schulen Kosten ersparen.

  1. Hochschulwesen (Universitäten, freie Hochschulen, Kulturakademien, Lehrerbildungsanstalten):

Das gesamte Hochschulwesen verwaltet sich selbst. Zu diesem Zweck wird ein besonderes Kulturparlament geschaffen, dessen Beschlüsse von der von diesem Parlament einzusetzenden Regierung durchgeführt werden, wobei die Exekutive von der Exekutive des politischen Staates ausgeübt wird. Der gleichen kulturellen Verwaltung unterliegen alle anderen kulturellen Bestrebungen, denen vollkommene Freiheit im Rahmen der Sicherheit und der demokratischen Grundlage des Europäischen Bundes gewährleistet werden.

Die Finanzierung des Hochschulwesens erfolgt einmal aus den eigenen Einnahmen der einzelnen Institute, aus freiwilligen Beiträgen und Stiftungen, sodann aus den Leistungen der Wirtschaft, die an den Ergebnissen einer freien Forschungsarbeit am stärksten interessiert ist. Die Finanzverwaltung des Hochschulwesens erfolgt durch eine besondere Organisation, die sich aus Vertretern der kulturellen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung gleichmäßig zusammensetzt und zu der auch die politische Regierung eine ständige Vertretung abordnet. Jedoch wird die Freiheit der Lehre und der Forschung ausdrücklich garantiert und in keiner Weise von der Bewilligung des materiellen Existenzmittel beeinflusst.

  1. Freiheit des religiösen Bekenntnisses:

Die vollkommene Freiheit des religiösen Bekenntnisses wird garantiert. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften verwalten sich selbst. Zur Deckung ihrer Finanzbedürfnisse wird ihnen ein Steuerrecht eingeräumt.

  1. Freiheit anderer geistiger Strömungen:

Allen anderen geistigen Strömungen wird vollkommene Freiheit garantiert, soweit sie sich nicht gegen die demokratische Grundlage der Europäischen Union richten.

  1. Schaffung von Kulturakademien:

Zur Pflege des Kulturgedankens auf religiös-humanistischer und geisteswissenschaftlicher Grundlage werden Kulturakademien geschaffen, die in Ergänzung der fachwissenschaftlichen Ausbildung eine Hebung der Allgemeinbildung vermitteln.

Zoll- und Währungsfragen

  1. Zölle:

Baldigster totaler, eventuell stufenweiser Abbau der Zölle zwischen den einzelnen europäischen Staaten und Erhebung der nach einheitlicher Terminologie und in einer neu einzuführenden Einheitswährung aufgestellten Zölle nur noch in den Grenzen der neuen Zollunion.

  1. Währungen:

Möglichst sofortige Einführung einer neuen, von jedem staatlichen Einfluss freien Währung. Mobilisierung und Negotiabilisierung der durch Hamster oder auf andere Weise der Wirtschaft zur Zeit entzogenen Werte, wie speziell Gold, durch Depot bei einer durch Konvention zu bestimmenden Zentralstelle gegen Ausgabe von Zertifikaten verschiedener Stückelung, welche in allen Konventionsstaaten absolut frei und ungehindert zirkulieren. Die bestehenden nationalen Währungen haben sich natürlich automatisch zur neuen Währung einzustellen und baldmöglichst zu verschwinden. Staatsanleihen dürfen nur in nationalen Währungen ausgegeben werden, hingegen kann die erwähnte Zentralstelle Überbrückungskredite in neuer Währung bewilligen.

Leitsätze zum Kolonialproblem

Sämtliche europäischen Mächte verpflichten sich, diejenigen ihrer Kolonien, die sich nicht selbst verwalten, das heißt, die nicht seither schon eine Regierung besessen haben, die von der Bevölkerung des Kolonialgebiets selbst bestellt war, während die europäische Kolonialmacht lediglich eine Art von Oberaufsicht ausübte, einem Europäischen Bunde zur selbständigen und uneingeschränkten Verwaltung als Bundesbesitz zu überlassen.

Durch Bundesgesetz wird der Wert der Investition festgestellt, die die einzelnen Länder in ihren seitherigen Kolonien unternommen haben. Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf die Investitionen, die bis 1918 gemacht worden sind, als auch auf die seit 1918 gemachten Investitionen.

Von diesen Summen kommen diejenigen Werte in Abzug, die die seitherigen Besitzer aus ihren Kolonien bezogen haben.

Der verbleibende Restbetrag wird den früheren und seitherigen Besitzern zu Lasten einer hierfür aufzunehmenden Bundesanleihe ausbezahlt. Irgend eine Zahlung für Bodenwerte oder den Kolonialbesitz an sich kommt hierbei nicht in Frage.

Die künftige Verwaltung der Kolonien erfolgt ausschließlich durch den Bund. Der Bund ist berechtigt, die kulturelle und wirtschaftliche Verwaltung besonderen internationalen Organisationen zu übertragen, an denen alle dem Bund angeschlossenen Völker gleichmäßig zu beteiligen sind. Die Kolonialprodukte sind in alle dem Europäischen Bunde angeschlossenen Länder zollfrei einzuführen, soweit nicht die Verarbeitung an Ort und Stelle erfolgt. Auch die Fertigfabrikate sind in die Bundesländer zollfrei einzuführen.

Die Finanzverwaltung und Ausübung der Polizeihoheit in den Kolonien ist ausschließlich Bundessache.

Alle dem Bunde angeschlossenen Länder können ihre Bürger mit gleichen Rechten nach den Kolonien entsenden.

Die europäischen Kolonien werden systematisch herangezogen, um der Übervölkerung einzelner Teile Europas zu steuern. Ebenso werden die Kolonien prinzipiell bereitgestellt, um irgendwelchen Gruppen europäischer Völker oder europäischer Minderheiten die geschlossene Ansiedlung zu ermöglichen.

Die Eingeborenen sind nach dem Maß ihrer Eignung zur Verwaltung der Kolonien mitheranzuziehen.

Europa und Amerika

Stärkere Sympathien und lebhaftere moralische Unterstützung Europas durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind nur zu erwarten, wenn sich die Europäer dazu entschließen, die Einigung Europas als Friedensziel zu bezeichnen und energisch zu betreiben.

Die Einigung Europas sollte nach dem Beispiel der USA , aber nach dem Vorbild der Schweiz erfolgen, weil dieses Vorbild den besonderen europäischen Verhältnissen besser entspricht.

Die USA würden die Einigung Europas vor allem aus wirtschaftlichen und politischen Gründen begrüßen. Wirtschaftlich kann die USA von einem einigen Europa nur gewinnen, da dieses ein abnahmefähigerer Markt sein wird. Politisch bedeutet ein einiges, demokratisch organisiertes Europa ein starkes Bollwerk gegen die kommunistische Gefahr.

Eine Europäische Union wird eine enge Zusammenarbeit mit USA auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet anstreben müssen. Hierzu gehört vor allem die Feststellung, auf welche Weise sich die europäische und amerikanische Wirtschaft und Landwirtschaft gegenseitig zu ergänzen vermögen; hierzu gehört ferner die Pflege einer kulturellen Gemeinschaft durch großzügigen Austausch von Professoren, Lehrern, Studenten und Schülern, die Annäherung der bestehenden kulturellen Einrichtungen durch Erfahrungsaustausch und Arbeitsgemeinschaften, die geistige und menschliche Annäherung der beiderseitigen Völker durch Reise- und Urlaubsorganisationen zum gegenseitigen Besuch der beiden Kontinente.

Europa wird die auf Zusammenschluss aller amerikanischen Staaten gerichteten panamerikanischen Bestrebungen in jeder Hinsicht unterstützen müssen, um auf diese und andere Weise die gemeinschaftlichen Interessen Europas und Amerikas zu unterstreichen.

Ergänzende Erklärung „Europa-Union und Weltunion“ vom April 1944

Die Europa-Union, Schweizerische Bewegung für die Einigung Europas, betrachtet die Organisation einer europäischen Völkergemeinschaft nach föderalistischen Prinzipien, wie sie in der Schweizerischen Eidgenossenschaft verwirklicht sind, als notwendiges konstituierendes Element einer wirklichen Weltunion.

Als weitere Elemente einer Weltunion sieht sie die Panamerikanische Union, das durch England mit der europäischen Union eng verbundene Britische Commonwealth, die Sowjetunion, die von verantwortlichen Staatsmännern vorgeschlagene asiatische Organisation , eventuell eine arabische Föderation.

Sie lehnt jedes Bestreben ab, das die Völker Europas als nicht fähig erachtet, in völliger Selbständigkeit die europäische Organisation vorzubereiten und durchzuführen. Darum betont sie die völlige politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung im Rahmen einer Weltunion.

Sie verlangt für alle europäischen Völker, Groß-, Mittel- und Kleinstaaten, Sieger und Besiegte des zweiten Weltkrieges, gleiche Rechte und gleiche Pflichten in jeder kommenden europäischen und planetaren Organisation.

Nach dem föderalistischen Prinzip des organischen Aufbaues von unten nach oben würde es die Schweizerische Europa-Union als verfehlt erachten, Spannungszustände innerhalb der einzelnen Kontinente unmittelbar einem Weltvölkerbund zur Lösung zu überweisen. Auch zum Schutz der europäischen Kleinstaaten verlangt die Europa-Union einen europäischen Zusammenschluss als Bestandteil einer Weltunion. Gerade in Würdigung der geschichtlichen und kulturellen Bedeutung sowie der wirtschaftlichen Interessen der europäischen Kleinstaaten erblickt sie in der Bildung einer organisierten europäischen Völkergemeinschaft die Voraussetzung der Zugehörigkeit dieser Kleinstaaten zu einer Weltunion.


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  1. Kemal Derviş beschrieb 2005 zwei Haltungen bzw. Visionen von Europa, welche seiner Meinung nach den falschen Weg weisen. Er benannte die Anhänger der einen als „Superstaat-Europäer“ und charakterisierte m.E. dabei die ‚Paneuropäer‘ sehr treffend. ↩︎
  2. “Leitsätze der «Europa-Union», Einer Schweizerischen Bewegung für die Einigung Europas (Januar 1940).” Die Friedens-Warte, vol. 40, no. 1/2, 1940, pp. 109–113. JSTOR. Aufgerufen unter Internet-Hyperlink: https://www.jstor.org/stable/23775240. Letztmalig aufgerufen am 21.12.2018 ↩︎