Anhang 21

Heilbronner Aufruf der EUROPA-UNION und der JEF (22. Februar 2017)

„Unsere Rettung lag und liegt in folgendem: Europa, das freie Europa, musste und muss zu einer Einheit zusammenwachsen, und wir mussten und müssen einen festen Bestandteil dieses Europas bilden.“ (Konrad Adenauer)1

Dieser Aufruf, von Mitgliedern der EUROPA-UNION Heilbronn unter Führung des Kreisvorsitzenden Heinrich Kümmerle 2016 erarbeitet, wird vom Kreisvorstand am 22. Februar 2017 beschlossen und veröffentlicht. Die Landesversammlung der EUROPA-UNION Baden-Württemberg, welche in Nürtingen tagt, nimmt den Heilbronner Antrag am 18. März 2017 einstimmig als ‚Nürtinger Erklärung‘ an und der 62. Bundeskongress der EUROPA-UNION Deutschland tritt dem Heilbronner Aufruf ebenfalls bei.

Wir zeigen Flagge für Europa!

Vor 60 Jahren, am 25. März 1957, haben sechs europäische Staaten die Römischen Verträge geschlossen. Sie zogen damit die richtigen Lehren aus den Schrecken zweier Weltkriege. Denn Frieden kann in Europa nur dann gesichert werden, wenn Nationalismus und Totalitarismus durch wirtschaftliche und politische Verflechtung der Völker und Staaten untereinander gebändigt werden. Zudem kann Europa in der Welt nur noch dann eine tragende Rolle spielen, wenn es all seine Kräfte bündelt und dies stets demokratisch und möglichst föderal. Aber diese grundlegenden Lehren und Gründe für die europäische Integration drohen seit einiger Zeit völlig in Vergessenheit zu geraten!

Die Römischen Verträge sind dabei der Meilenstein dieses einzigartigen Friedensprojektes, das über viele Hindernisse und Krisen hinweg schließlich zur Europäischen Union (EU) geführt hat. Es ist eine große Erfolgsgeschichte und so nachhaltig, dass uns die Erfolge weitgehend selbstverständlich erscheinen. Wir können in der gesamten EU reisen, leben, arbeiten und studieren. Wir nutzen die Vorteile der Arbeitsteilung und produzieren für einen gemeinsamen Binnenmarkt; einen Binnenmarkt mit starken – wenn auch noch unvollkommenen – Regeln. Die Mitgliedstaaten helfen einander bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Auch finden wir Bürger bei unseren Reisen und Tätigkeiten in der EU die gleichen Regeln, z.B. für Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutz vor. Wir müssen in den meisten Mitgliedstaaten nicht einmal mehr die Währung wechseln. Und in der gesamten EU schützen gemeinsame Grundrechte alle Menschen, egal welcher Herkunft, Religion oder Hautfarbe.

Aber es ist durchaus kein Paradies entstanden. Soziale Ungleichheit gibt es immer noch, die Lasten sind oftmals ungerecht verteilt und auch der Klimawandel ist bei weitem nicht gemeistert. Über die notwendigen Lösungen wird daher in der Europapolitik genauso gestritten, wie auch in der Bundes-, Landes- oder Kommunalpolitik. Viel entscheidender ist aber: es ist in der EU ein gesamtgesellschaftlicher Raum entstanden, in dem die Widersprüche menschlichen Zusammenlebens in geordneten und friedlichen Bahnen behandelt werden können und Drohungen oder gar Gewalt keinen Platz mehr haben.

Das bisher Erreichte ist nicht selbstverständlich und auch nicht unumkehrbar. Zudem wird es heute sehr massiv in Frage gestellt. Die Banken- und Staatsschuldenkrise haben den europäischen Zusammenhalt schwer erschüttert und die sozialen Spannungen weiter erhöht. Die zumindest derzeit verstärkten Wanderungsbewegungen nach Europa hinein haben darüber hinaus den Unwillen und die Unfähigkeit aller Mitgliedstaaten zu gemeinsamen und tragbaren Lösungen offenbart. Die zunehmende Unsicherheit in der gesamten Welt hat populistischen Bewegungen wieder verstärkt Raum gegeben, die ohne Frage stets Steigbügelhalter für Totalitaristen sind. Abschottung und Rückkehr zum Nationalstaat sind erst der Anfang allen Übels; in Großbritannien hat diese Bewegung bereits erste Erfolge erzielt. Der immer noch im Entstehen begriffene Europäische Bundesstaat ist dabei inzwischen schon traditionell das bevorzugte Angriffsziel aller Populisten, Nationalisten und Totalitaristen; diesen wollen sie mit allen Mitteln verhindern und am liebsten sogar, das Rad der Geschichte zurückdrehen.

Es ist an der Zeit, unser Europa als die Lösung vieler Probleme und nicht wie bisher gerne in der Öffentlichkeit publik gemacht, als „das Problem“ oder „den Sündenbock“ anzusehen. Wir erwarten von der Europapolitik und allen unseren Mitbürgern, dass sie endlich das bisher Erreichte wertschätzen, die bestehenden Regeln und Gesetze einhalten oder umsetzen sowie die notwendigen weiteren Schritte zur europäischen Einigung bis hin zu den Vereinigten Staaten von Europa einfordern oder zügig einleiten! Partizipation, Kompromissbereitschaft, Subsidiarität und Solidarität sind dabei weiterhin die zwingenden Voraussetzungen! Bürgernähe, Transparenz und eine die Bürger auf allen Ebenen überzeugende Handlungsfähigkeit der Politik sollten dabei eine Selbstverständlichkeit werden!


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  1. Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Konrad Adenauer - Dokumente aus vier Epochen deutscher Geschichte (1983: 121) ↩︎