Immanuel Kant (1795)

„Die Ausführbarkeit (objektive Realität) dieser Idee der Föderalität, die sich allmählich über alle Staaten erstrecken soll, und so zum ewigen Frieden hinführt, lässt sich darstellen.“ (Immanuel Kant)

Immanuel Kants Traktat „Zum ewigen Frieden“ kann den liberalen Theorien zugeordnet werden und hat gut 200 Jahre später die Charta der VN vom 26. Juni 1945 wesentlich mit beeinflusst.

Zudem prägt es die meisten der hier in diesem Buch angesprochenen Föderalismuskonzepte. Das Traktat erscheint zuerst 1795 bei Friedrich Nicolovius in Königsberg. Sie finden hier eine von mir sprachlich etwas überarbeitete Version der zweiten, vermehrten Auflage von 1796.

Das obige Zitat ist übrigens diesem Traktat entnommen.

Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (1795)

Ob diese satirische Überschrift auf dem Schilde jenes holländischen Gastwirts, worauf ein Kirchhof gemalt war, die Menschen überhaupt, oder besonders die Staatsoberhäupter, die des Krieges nie satt werden können, oder wohl gar nur die Philosophen gelte, die jenen süßen Traum träumen, mag dahin gestellt sein. Das bedingt sich aber der Verfasser des Gegenwärtigen aus, dass, da der praktische Politiker mit dem theoretischen auf dem Fuß steht, mit großer Selbstgefälligkeit auf ihn als einen Schulweisen herabzusehen, der dem Staat, welcher von Erfahrungsgrundsätzen ausgehen müsse, mit seinen sachleeren Ideen keine Gefahr bringe, und den man immer seine elf Kegel auf einmal werfen lassen kann, ohne, dass sich der weltkundige Staatsmann daran kehren darf, dieser auch, im Fall eines Streits mit jenem sofern konsequent verfahren müsse, hinter seinen auf gut Glück gewagten, und öffentlich geäußerten Meinungen nicht Gefahr für den Staat zu wittern; - durch welche clausula salvatoria der Verfasser dieses sich dann hiermit in der besten Form wider aller böswilligen Auslegung ausdrücklich verwahrt wissen will.

Erster Abschnitt, welcher die Präliminarartikel zum ewigen Frieden unter Staaten enthält

1. „Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“

Denn als denn wäre er ja ein bloßer Waffenstillstand, Aufschub der Feindseligkeiten, nicht Friede, der das Ende aller Hostilitäten [Feindseligkeiten] bedeutet, und dem das Beiwort ewig anzuhängen ein schon verdächtiger Pleonasmus ist. Die vorhandene, obgleich jetzt vielleicht den Pazifisten selbst noch nicht bekannte, Ursachen zum künftigen Kriege sind durch den Friedensschluss insgesamt vernichtet, sie mögen auch aus archivarischen Dokumenten mit noch so scharfsichtiger Ausspähungsgeschicklichkeit ausgeklaubt sein. - Der Vorbehalt (reservatio mentalis) alter allererst künftig auszudenkender Prätensionen, deren kein Teil für jetzt Erwähnung tun mag, weil beide zu sehr erschöpft sind, den Krieg fortzusetzen, bei dem bösen Willen, die erste günstige Gelegenheit zu diesem Zweck zu benutzen, gehört zur Jesuitenkasuistik, und ist unter der Würde der Regenten, so wie die Willfährigkeit zu dergleichen Deduktionen unter der Würde eines Ministers desselben, wenn man die Sache, wie sie an sich selbst ist, beurteilt. - Wenn aber, nach aufgeklärten Begriffen der Staatsklugheit, in beständiger Vergrößerung der Macht, durch welche Mittel es auch sei, die wahre Ehre des Staats gesetzt wird, so fällt freilich jenes Urteil als schulmäßig und pedantisch in die Augen.

2. „Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem anderen Staat durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.“

Ein Staat ist nämlich nicht (wie etwa der Boden, auf dem er seinen Sitz hat) eine Habe (patrimonium). Er ist eine Gesellschaft von Menschen, über die niemand anders, als er selbst, zu gebieten und zu disponieren hat. Ihm aber, der selbst als Stamm seine eigene Wurzel hatte, als Pfropfreis einem andern Staate einzuverleiben, heißt seine Existenz, als einer moralischen Person, aufheben, und aus der letzteren eine Sache machen, und widerspricht also der Idee des ursprünglichen Vertrags, ohne die sich kein Recht über ein Volk denken lässt 1 In welche Gefahr das Vorurteil dieser Erwerbungsart Europa, denn die andern Weltteile haben nie davon gewusst, in unseren bis auf die neuesten Zeiten gebracht habe, dass sich nämlich auch Staaten einander heiraten könnten, ist jedermann bekannt, teils als eine neue Art von Industrie, sich auch ohne Aufwand von Kräften durch Familienbündnisse übermächtig zu machen, teils auch auf solche Art den Länderbesitz zu erweitern. - Auch die Verdingung der Truppen eines Staats an einen anderen, gegen einen nicht gemeinschaftlichen Feind, ist dahin zu zählen; denn die Untertanen werden dabei als nach Belieben zu handhabende Sachen gebraucht und verbraucht.

3. „Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“

Denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg, durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen; reizen diese an, sich einander in Menge der Gerüsteten, die keine Grenzen kennt, zu übertreffen, und, indem durch die darauf verwandten Kosten der Friede endlich noch drückender wird als ein kurzer Krieg, so sind sie selbst Ursache von Angriffskriegen, um diese Last loszuwerden; wozu kommt, dass zum Töten, oder getötet zu werden in Sold genommen zu sein einen Gebrauch von Menschen als bloßen Maschinen und Werkzeugen in der Hand eines andern (des Staats) zu enthalten scheint, der sich nicht wohl mit dem Rechte der Menschheit in unserer eigenen Person vereinigen lässt. Ganz anders ist es mit der freiwilligen periodisch vorgenommenen Übung der Staatsbürger in Waffen bewandt, sich und ihr Vaterland dadurch gegen Angriffe von außen zu sichern. - Mit der Anhäufung eines Schatzes würde es ebenso gehen, dass er, von andern Staaten als Bedrohung mit Krieg angesehen, zu zuvorkommenden Angriffen nötigte (weil unter den drei Mächten, der Heeresmacht, der Bundesmacht und der Geldmacht, die letztere wohl das zuverlässigste Kriegswerkzeug sein dürfte; wenn nicht die Schwierigkeit, die Größe desselben zu erforschen, dem entgegenstände).

4. „Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.“

Zum Behuf der Landesökonomie (der Wegebesserung, neuer Ansiedelungen, Anschaffung der Magazine für besorgliche Misswachsjahre usw.) außerhalb oder innerhalb dem Staate Hilfe zu suchen, ist diese Hilfsquelle unverdächtig. Aber, als entgegenwirkende Maschine der Mächte gegeneinander, ist ein Kreditsystem ins Unabsehliche anwachsender und doch immer für die gegenwärtige Forderung (weil sie doch nicht von allen Gläubigem auf einmal geschehen wird) gesicherter Schulden - die sinnreiche Erfindung eines handeltreibenden Volks in diesem Jahrhundert - eine gefährliche Geldmacht, nämlich ein Schatz zum Kriegführen, der die Schätze aller andern Staaten zusammengenommen übertrifft, und nur durch den einmal bevorstehenden Ausfall der Taxen (der doch auch durch die Belebung des Verkehrs, vermittelst der Rückwirkung auf Industrie und Erwerb, noch lange hingehalten wird) erschöpft werden kann. Diese Leichtigkeit Krieg zu führen, mit der Neigung der Machthabenden dazu, welche der menschlichen Natur eingeartet[angeboren] zu sein scheint, verbunden, ist also ein großes Hindernis des ewigen Friedens, welches zu verbieten um desto mehr ein Präliminarartikel desselben sein müsste, weil der endlich doch unvermeidliche Staatsbankrott manche andere Staaten unverschuldet in den Schaden mit verwickeln muss, welches eine öffentliche Läsion der letzteren sein würde. Mithin sind wenigstens andere Staaten berechtigt, sich gegen einen solchen und dessen Anmaßungen zu verbünden.“

5. „Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staats gewalttätig einmischen.“

Denn was kann ihn dazu berechtigen? Etwa der Skandal, was er den Untertanen eines anderen Staats gibt? Es kann dieser vielmehr, durch das Beispiel der großen Übel, die sich ein Volk durch seine Gesetzlosigkeit zugezogen hat, zur Warnung dienen; und überhaupt ist das böse Beispiel, was eine freie Person der andern gibt, (als scandalum acceptum) keine Läsion derselben. - Dahin würde zwar nicht zu ziehen sein, wenn ein Staat sich durch innere Veruneinigung [Trennung] in zwei Teile spaltete, deren jeder für sich einen besonderen Staat vorstellt, der auf das Ganze Anspruch macht; wo einem derselben Beistand zu leisten einem äußern Staat nicht für Einmischung in die Verfassung des andern (denn es ist alsdann Anarchie) angerechnet werden könnte. So lange aber dieser innere Streit noch nicht entschieden ist, würde diese Einmischung äußerer Mächte Verletzung der Rechte eines nur mit seiner inneren Krankheit ringenden, von keinem andern abhängigen Volks, selbst also ein gegebener Skandal sein, und die Autonomie aller Staaten unsicher machen.

6. „Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem anderen solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der Meuchelmörder (percussores), Giftmischer (venefici), Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats (perduellio) in dem bekriegten Staat etc.“

Das sind ehrlose Strategeme [Kriegslisten]. Denn irgend ein Vertrauen auf die Denkungsart des Feindes muss mitten im Kriege noch übrig bleiben, weil sonst auch kein Friede abgeschlossen werden könnte, und die Feindseligkeit in einen Ausrottungskrieg (bellum internecinum) ausschlagen würde; da der Krieg doch nur das traurige Notmittel im Naturzustand ist (wo kein Gerichtshof vorhanden ist, der rechtskräftig urteilen könnte), durch Gewalt sein Recht zu behaupten; wo keiner von beiden Teilen für einen ungerechten Feind erklärt werden kann (weil das schon einen Richterausspruch voraussetzt), sondern der Ausschlag desselben (gleich als vor einem so genannten Gottesgerichte) entscheidet, auf wessen Seite das Recht ist; zwischen Staaten aber sich kein Bestrafungskrieg (bellum punitivum) denken lässt (weil zwischen ihnen kein Verhältnis eines Oberen zu einem Untergebenen stattfindet). - Woraus denn folgt: dass ein Ausrottungskrieg, wo die Vertilgung beide Teile zugleich, und mit dieser auch alles Rechts treffen kann, den ewigen Frieden nur auf dem großen Kirchhof der Menschengattung stattfinden lassen würde. Ein solcher Krieg also, mithin auch der Gebrauch der Mittel, die dahin führen, muss schlechterdings unerlaubt sein. - Dass aber die genannte Mittel unvermeidlich dahin führen, erhellt daraus: dass jene höllische Künste, da sie an sich selbst niederträchtig sind, wenn sie in Gebrauch gekommen, sich nicht lange innerhalb der Grenze des Krieges halten, wie etwa der Gebrauch der Spione (uti exploratoribus), wo nur die Ehrlosigkeit anderer (die nun einmal nicht ausgerottet werden kann) benutzt wird, sondern auch in den Friedenszustand übergehen, und so die Absicht desselben gänzlich vernichten würden.

Obgleich die angeführte Gesetze objektiv, dies ist in der Intention der Machthabenden, lauter Verbotsgesetze (leges prohibitivae) sind, so sind doch einige derselben von der strengen, ohne Unterschied der Umstände geltenden Art (leges strictae), die sofort auf Abschaffung dringen (wie Nr. 1, 5, 6), andere aber (wie Nr. 2, 3, 4); die zwar nicht als Ausnahmen von der Rechtsregel, aber doch in Rücksicht auf die Ausübung derselben, durch die Umstände, subjektiv für die Befugnis erweiternd, (leges latae), und Erlaubnisse enthalten, die Vollführung aufzuschieben, ohne doch den Zweck aus den Augen zu verlieren, der diesen Aufschub, z.B. der Wiedererstattung der gewissen Staaten, nach Nr. 2, entzogenen Freiheit, nicht auf dem Nimmertag (wie [Kaiser] Augustus zu versprechen pflegte, ad calendas graecas) auszusetzen, mithin die Nichterstattung, sondern nur, damit sie nicht übereilt und so der Absicht selbst zuwider geschehe, die Verzögerung erlaubt. Denn das Verbot betrifft hier nur die Erwerbungsart, die fernerhin nicht gelten soll, aber nicht den Besitzstand, der, ob er zwar nicht den erforderlichen Rechtstitel hat, doch zu seiner Zeit (der putativen Erwerbung), nach der damaligen öffentlichen Meinung, von allen Staaten für rechtmäßig gehalten wurde.2

Zweiter Abschnitt, welcher die Definitivartikel zum ewigen Frieden unter Staaten enthält

Der Friedenszustand unter Menschen, die nebeneinander leben, ist kein Naturzustand (status naturalis), der vielmehr ein Zustand des Krieges ist, dies ist wenngleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch immerwährende Bedrohung mit denselben. Er muss also gestiftet werden; denn die Unterlassung der letzteren ist noch nicht Sicherheit dafür, und, ohne dass sie einem Nachbar von dem andern geleistet wird (welches aber nur in einem gesetzlichen Zustande geschehen kann), kann jener diesen, welchen er dazu aufgefordert hat, als einen Feind behandeln.3

Erster Definitivartikel zum ewigen Frieden

Die bürgerliche Verfassung in jedem Staat soll republikanisch sein.

Die erstlich nach Prinzipien der Freiheit der Glieder einer Gesellschaft (als Menschen); zweitens nach Grundsätzen der Abhängigkeit aller von einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung (als Untertanen); und drittens, die nach dem Gesetz der Gleichheit derselben (als Staatsbürger) gestiftete Verfassung - die einzige, welche aus der Idee des ursprünglichen Vertrags hervorgeht, auf der alle rechtliche Gesetzgebung eines Volks gegründet sein muss - ist die republikanische.4 Diese ist also, was das Recht betrifft, an sich selbst diejenige, welche allen Arten der bürgerlichen Konstitution ursprünglich zu Grunde liegt; und nun ist nur die Frage: ob sie auch die einzige ist, die zum ewigen Frieden hinführen kann?

Nun hat aber die republikanische Verfassung, außer der Lauterkeit ihres Ursprungs, aus dem reinen Quell des Rechtsbegriffs entsprungen zu sein, noch die Aussicht in die gewünschte Folge, nämlich den ewigen Frieden; wovon der Grund dieser ist. - Wenn (wie es in dieser Verfassung nicht anders sein kann) die Zustimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschließen, „ob Krieg sein solle, oder nicht“, so ist nichts natürlicher, als dass, da sie alle Drangsale des Krieges über sich selbst beschließen müssten (als da sind: selbst zu fechten; die Kosten des Krieges aus ihrer eigenen Habe herzugeben; die Verwüstung, die er hinter sich lässt, kümmerlich zu verbessern; zum Übermaße des Übels endlich noch eine, den Frieden selbst verbitternde, nie (wegen naher immer neuer Kriege) zu tilgende Schuldenlast selbst zu übernehmen), sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen: Da hingegen in einer Verfassung, wo der Untertan nicht Staatsbürger, die also nicht republikanisch ist, es die unbedenklichste Sache von der Welt ist, weil das Oberhaupt nicht Staatsgenosse, sondern Staatseigentümer ist, an seinen Tafeln, Jagden, Lustschlössern, Hoffesten und der gleichen durch den Krieg nicht das mindeste einbüßt, diesen also wie eine Art von Lustpartie aus unbedeutenden Ursachen beschließen, und der Anständigkeit wegen dem dazu allezeit fertigen diplomatischen Korps die Rechtfertigung desselben gleichgültig überlassen kann.

Damit man die republikanische Verfassung nicht (wie gemeiniglich geschieht) mit der demokratischen verwechsele, muss Folgendes bemerkt werden. Die Formen eines Staats (civitas) können entweder nach dem Unterschiede der Personen, welche die oberste Staatsgewalt inne haben, oder nach der Regierungsart des Volks durch sein Oberhaupt, er mag sein welcher er wolle, eingeteilt werden; die erste heißt eigentlich die Form der Beherrschung (forma imperii), und es sind nur drei derselben möglich, wo nämlich entweder nur einer, oder einige unter sich verbunden, oder alle zusammen, welche die bürgerliche Gesellschaft aus machen, die Herrschergewalt besitzen (Autokratie, Aristokratie und Demokratie, Fürstengewalt, Adelsgewalt und Volksgewalt). Die zweite ist die Form der Regierung (forma regiminis), und betrifft die auf die Konstitution (den Akt des allgemeinen Willens, wodurch die Menge ein Volk wird) gegründete Art, wie der Staat von seiner Machtvollkommenheit Gebrauch macht: und ist in dieser Beziehung entweder republikanisch oder despotisch. Der Republikanismus ist das Staatsprinzip der Absonderung der ausführenden Gewalt (der Regierung) von der gesetzgebenden; der Despotismus ist das der eigenmächtigen Vollziehung des Staats von Gesetzen, die er selbst gegeben hat, mithin der öffentliche Wille, sofern er vom Regenten als sein Privatwille gehandhabt wird. - Unter den drei Staatsformen ist die der Demokratie, im eigentlichen Verstande des Worts, notwendig ein Despotismus, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), mithin alle, die doch nicht alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist.

Alle Regierungsform nämlich, die nicht repräsentativ ist, ist eigentlich eine Unform, weil der Gesetzgeber in ein und derselben Person zugleich Vollstrecker seines Willens (so wenig, wie das Allgemeine des Obersatzes in einem Vernunftschluss zugleich die Subsumtion des Besondern unter jenem im Untersatz) sein kann, und, wenngleich die zwei anderen Staatsverfassungen sofern immer fehlerhaft sind, dass sie einer solcher Regierungsart Raum geben, so ist es bei ihnen doch wenigstens möglich, dass sie eine dem Geiste eines repräsentativen Systems gemäße Regierungsart annähmen, wie etwa Friedrich II. wenigstens sagte: er sei bloß der oberste Diener des Staats,5 da hingegen die demokratische es unmöglich macht, weil alles da Herr sein will. - Man kann daher sagen: je kleiner das Personal der Staatsgewalt (die Zahl der Herrscher), je größer dagegen die Repräsentation derselben, desto mehr stimmt die Staatsverfassung zur Möglichkeit des Republikanismus, und sie kann hoffen, durch allmähliche Reformen sich dazu endlich zu erheben. Aus diesem Grund ist es in der Aristokratie schon schwerer, als in der Monarchie, in der Demokratie aber unmöglich, anders, als durch gewaltsame Revolution zu dieser einzigen vollkommen rechtlichen Verfassung zu gelangen. Es ist aber an der Regierungsart6 dem Volk ohne alle Vergleichung mehr gelegen, als an der Staatsform (wiewohl auch auf dieser ihre mehrere oder mindere Angemessenheit zu jenem Zwecke sehr viel ankommt). Zu jener aber, wenn sie dem Rechtsbegriffe gemäß sein soll, gehört das repräsentative System, in welchem allein eine republikanische Regierungsart möglich, ohne welches sie (die Verfassung mag sein welche sie wolle) despotisch und gewalttätig ist. - Keine der alten sogenannten Republiken hat dieses gekannt, und sie mussten sich darüber auch schlechterdings in dem Despotismus auflösen, der unter der Obergewalt eines Einzigen noch der erträglichste unter allen ist.

Zweiter Definitivartikel zum ewigen Frieden

Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein.

Völker, als Staaten, können wie einzelne Menschen beurteilt werden, die sich in ihrem Naturzustand (dies ist in der Unabhängigkeit von äußern Gesetzen) schon durch ihr Nebeneinandersein lädieren, und deren jeder, um seiner Sicherheit willen, von dem andern fordern kann und soll, mit ihm in eine, der bürgerlichen ähnliche, Verfassung zu treten, wo jedem sein Recht gesichert werden kann. Dies wäre ein Völkerbund, der aber gleichwohl kein Völkerstaat sein müsste. Darin aber wäre ein Widerspruch; weil ein jeder Staat das Verhältnis eines Oberen (Gesetzgebenden) zu einem Unteren (Gehorchenden, nämlich dem Volk) enthält, viele Völker aber in einem Staate nur ein Volk ausmachen würden, welches (da wir hier das Recht der Völker gegeneinander zu erwägen haben, sofern sie so viel verschiedene Staaten ausmachen, und nicht in einem Staat zusammenschmelzen sollen) der Voraussetzung widerspricht.

Gleichwie wir nun die Anhänglichkeit der Wilden an ihre gesetzlose Freiheit, sich lieber unaufhörlich zu balgen, als sich einem gesetzlichen, von ihnen selbst zu konstituierenden, Zwang zu unterwerfen, mithin die tolle Freiheit der vernünftigen vorzuziehen, mit tiefer Verachtung ansehen, und als Rohheit, Ungeschliffenheit und viehische Abwürdigung der Menschheit betrachten, so, sollte man denken, müssten gesittete Völker (jedes für sich zu einem Staat vereinigt) eilen, aus einem so verworfenen Zustand je eher desto lieber herauszukommen: Stattdessen aber setzt vielmehr jeder Staat seine Majestät (denn Volksmajestät ist ein ungereimter Ausdruck) gerade darin, gar keinem äußeren gesetzlichen Zwang unterworfen zu sein, und der Glanz seines Oberhaupts besteht darin, dass ihm, ohne dass er sich eben selbst in Gefahr setzen darf, viele Tausende zu Gebot stehen, sich für eine Sache, die sie nichts angeht, aufopfern zu lassen,7und der Unterschied der europäischen Wilden von den amerikanischen besteht hauptsächlich darin, dass, da manche Stämme der Letzteren von ihren Feinden gänzlich sind gegessen worden, die Ersteren ihre Überwundene besser zu benutzen wissen, als sie zu verspeisen, und lieber die Zahl ihrer Untertanen, mithin auch die Menge der Werkzeuge zu noch ausgebreitetem Kriegen durch sie zu vermehren wissen.

Bei der Bösartigkeit der menschlichen Natur, die sich im freien Verhältnis der Völker unverhohlen blicken lässt (indessen dass sie im bürgerlich-gesetzlichen Zustand durch den Zwang der Regierung sich sehr verschleiert), ist es doch zu verwundern, dass das Wort Recht aus der Kriegspolitik noch nicht als pedantisch ganz hat verwiesen werden können, und sich noch kein Staat erkühnet hat, sich für die letztere Meinung öffentlich zu erklären; denn noch werden Hugo Grotius , [Samuel von] Pufendorf, [Emer de] Vattel und andere mehr (lauter leidige Tröster), obgleich ihr Kodex, philosophisch oder diplomatisch abgefasst, nicht die mindeste gesetzliche Kraft hat, oder auch nur haben kann (weil Staaten als solche nicht unter einem gemeinschaftlichen äußeren Zwang stehen), immer treuherzig zur Rechtfertigung eines Kriegsangriffs angeführt, ohne dass es ein Beispiel gibt, dass jemals ein Staat durch mit Zeugnissen so wichtiger Männer bewaffnete Argumente wäre bewegen worden, von seinem Vorhaben abzustehen. - Diese Huldigung, die jeder Staat dem Rechtsbegriff (wenigstens den Worten nach) leistet, beweist doch, dass eine noch größere, ob zwar zur Zeit schlummernde, moralische Anlage im Menschen anzutreffen sei, über das böse Prinzip in ihm (was er nicht ableugnen kann) doch einmal Meister zu werden, und dies auch von andern zu hoffen; denn sonst würde das Wort Recht den Staaten, die sich einander befehden wollen, nie in den Mund kommen, es sei denn, bloß um seinen Spott damit zu treiben, wie jener gallische Fürst es erklärte; „Es ist der Vorzug, den die Natur dem Stärkeren über den Schwächeren gegeben hat, dass dieser ihm gehorchen soll.“

Da die Art, wie Staaten ihr Recht verfolgen, nie, wie bei einem äußeren Gerichtshof, der Prozess, sondern nur der Krieg sein kann, durch diesen aber und seinen günstigen Ausschlag, den Sieg, das Recht nicht entschieden wird, und durch den Friedensvertrag zwar wohl dem diesmaligen Krieg, aber nicht dem Kriegszustand (immer zu einem neuen Vorwand zu finden) ein Ende gemacht wird (den man auch nicht geradezu für ungerecht erklären kann, weil in diesem Zustand jeder in seiner eigenen Sache Richter ist), gleichwohl aber von Staaten, nach dem Völkerrecht, nicht eben das gelten kann, was von Menschen im gesetzlosen Zustand nach dem Naturrecht gilt, „aus diesem Zustand herausgehen zu sollen“ (weil sie, als Staaten, innerlich schon eine rechtliche Verfassung haben, und also dem Zwang anderer, sie nach ihren Rechtsbegriffen unter eine erweiterte gesetzliche Verfassung zu bringen, entwachsen sind), indessen dass doch die Vernunft, vom Thron der höchsten moralisch gesetzgebenden Gewalt herab, den Krieg als Rechtsgang schlechterdings verdammt, den Friedenszustand dagegen zur unmittelbaren Pflicht macht, welcher doch, ohne einen Vertrag der Völker unter sich, nicht gestiftet oder gesichert werden kann: - so muss es einen Bund von besonderer Art geben, den man den Friedensbund (foedus pacificum) nennen kann, der vom Friedensvertrag (pactum pacis) darin unterschieden sein würde, dass dieser bloß einen Krieg, jener aber alle Kriege auf immer zu endigen suchte. Dieser Bund geht auf keinen Erwerb irgendeiner Macht des Staats, sondern lediglich auf Erhaltung und Sicherung der Freiheit eines Staats, für sich selbst und zugleich anderer verbündeten Staaten, ohne dass diese doch sich deshalb (wie Menschen im Naturzustand) öffentlichen Gesetzen, und einem Zwang unter denselben, unterwerfen dürfen. - Die Ausführbarkeit (objektive Realität) dieser Idee der Föderalität, die sich allmählich über alle Staaten erstrecken soll, und so zum ewigen Frieden hinführt, lässt sich darstellen. Denn wenn das Glück es so fügt: dass ein mächtiges und aufgeklärtes Volk sich zu einer Republik (die ihrer Natur nach zum ewigen Frieden geneigt sein muss) bilden kann, so gibt diese einen Mittelpunkt der föderativen Vereinigung für andere Staaten ab, um sich an sie anzuschließen, und so den Freiheitszustand der Staaten, gemäß der Idee des Völkerrechts, zu sichern, und sich durch mehrere Verbindungen dieser Art nach und nach immer weiter auszubreiten.

Dass ein Volk sagt: „Es soll unter uns kein Krieg sein; denn wir wollen uns in einen Staat formieren, dies ist uns selbst eine oberste gesetzgebende, regierende und richtende Gewalt setzen, die unsere Streitigkeiten friedlich ausgleicht“ - das lässt sich verstehen. - Wenn aber dieser Staat sagt: „Es soll kein Krieg zwischen mir und andern Staaten sein, obgleich ich keine oberste gesetzgebende Gewalt erkenne, die mir mein, und der ich ihr Recht sichere“, so ist es gar nicht zu verstehen, worauf ich dann das Vertrauen zu meinem Recht gründen wolle, wenn es nicht das Surrogat des bürgerlichen Gesellschaftsbunds, nämlich der freie Föderalismus ist, den die Vernunft mit dem Begriff des Völkerrechts notwendig verbinden muss, wenn überall etwas dabei zu denken übrig bleiben soll.

Bei dem Begriff des Völkerrechts, als eines Rechts zum Kriege, lässt sich eigentlich gar nichts denken (weil es ein Recht sein soll, nicht nach allgemein gültigen äußeren, die Freiheit jedes einzelnen einschränkenden Gesetzen, sondern nach einseitigen Maximen durch Gewalt, was Recht sei, zu bestimmen), es müsste denn darunter verstanden werden: dass Menschen, die so gesinnt sind, ganz recht geschieht, wenn sie sich untereinander aufreiben, und also den ewigen Frieden in dem weiten Grabe finden, das alle Gräuel der Gewalttätigkeit samt ihren Urhebern bedeckt. - Für Staaten, im Verhältnisse untereinander, kann es nach der Vernunft keine andere Art geben, aus dem gesetzlosen Zustand, der lauter Krieg enthält, herauszukommen, als dass sie, ebenso wie einzelne Menschen, ihre wilde (gesetzlose) Freiheit aufgeben, sich zu öffentlichen Zwangsgesetzen bequemen, und so einen (freilich immer wachsenden) Völkerstaat (civitas gentium), der zuletzt alle Völker der Erde umfassen würde, bilden. Da sie dieses aber nach ihrer Idee vom Völkerrecht durchaus nicht wollen, mithin, was in thesi richtig ist, in hypothesi verwerfen, so kann an die Stelle der positiven Idee einer Weltrepublik (wenn nicht alles verloren werden soll) nur das negative Surrogat eines den Krieg abwehrenden, bestehenden, und sich immer ausbreitenden Bund den Strom der rechtscheuenden, feindseligen Neigung aufhalten, doch mit beständiger Gefahr ihres Ausbruchs (Furor impius intus - fremit horridus ore cruento.8 [Zitat von] Virgil).9

Dritter Definitivartikel zum ewigen Frieden

„Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.“

Es ist hier, wie in den vorigen Artikeln, nicht von Philanthropie, sondern vom Recht die Rede, und da bedeutet Hospitalität (Wirtbarkeit) das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen, von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann; so lange er aber auf seinem Platz sich friedlich verhält, ihm nicht feindlich begegnen. Es ist kein Gastrecht, worauf dieser Anspruch machen kann (wozu ein besonderer wohltätiger Vertrag erfordert werden würde, ihn auf eine gewisse Zeit zum Hausgenossen zu machen), sondern ein Besuchsrecht, welches allen Menschen zusteht, sich zur Gesellschaft anzubieten, vermöge des Rechts des gemeinschaftlichen Besitzes der Oberfläche der Erde, auf der, als Kugelfläche, sie sich nicht ins Unendliche zerstreuen können, sondern endlich sich doch neben einander dulden zu müssen, ursprünglich aber niemand an einem Orte der Erde zu sein mehr Recht hat, als der andere. - Unbewohnbare Teile dieser Oberfläche, das Meer und die Sandwüsten, trennen diese Gemeinschaft, doch so, dass das Schiff, oder das Kamel (das Schiff der Wüste) es möglich machen, über diese herrenlose Gegenden sich einander zu nähern, und das Recht der Oberfläche, welches der Menschengattung gemeinschaftlich zukommt, zu einem möglichen Verkehr zu benutzen. Die Unwirtbarkeit der Seeküsten (zum Beispiel der Barbaresken), Schiffe in nahen Meeren zu rauben, oder gestrandete Schiffsleute zu Sklaven zu machen, oder die der Sandwüsten (der arabischen Beduinen), die Annäherung zu den nomadischen Stämmen als ein Recht anzusehen, sie zu plündern, ist also dem Naturrecht zuwider, welches Hospitalitätsrecht aber, dies ist die Befugnis der fremden Ankömmlinge, sich nicht weiter erstreckt, als auf die Bedingungen der Möglichkeit, einen Verkehr mit den alten Einwohnern zu versuchen. - Auf diese Art können entfernte Weltteile mit einander friedlich in Verhältnisse kommen, die zuletzt öffentlich gesetzlich werden, und so das menschliche Geschlecht endlich einer weltbürgerlichen Verfassung immer näher bringen können.

Vergleicht man hiermit das inhospitale Betragen der gesitteten, vornehmlich handeltreibenden Staaten unseres Weltteils, so geht die Ungerechtigkeit, die sie in dem Besuch fremder Länder und Völker (welches ihnen mit dem Erobern derselben für einerlei gilt) beweisen, bis zum Erschrecken weit. Amerika, die Negerländer, die Gewürzinseln, das Kap etc. waren, bei ihrer Entdeckung, für sie Länder, die keinem angehörten; denn die Einwohner rechneten sie für nichts. In Ostindien (Hindustan) brachten sie, unter dem Vorwand bloß beabsichtigter Handelsniederlagen, fremde Kriegsvölker hinein, mit ihnen aber Unterdrückung der Eingeborenen, Aufwiegelung der verschiedenen Staaten desselben zu weit ausgebreiteten Kriegen, Hungersnot, Aufruhr, Treulosigkeit, und wie die Litanei aller Übel, die das menschliche Geschlecht drücken, weiter lauten mag.

China 10 Japan (Nippon), die den Versuch mit solchen Gästen gemacht hatten, haben daher weislich, jenes zwar den Zugang, aber nicht den Eingang, dieses auch den ersteren nur einem einzigen europäischen Volk, den Holländern, erlaubt, die sie aber doch dabei, wie Gefangene, von der Gemeinschaft mit den Eingeborenen ausschließen. Das Ärgste hierbei (oder, vom Standpunkt eines moralischen Richters betrachtet, das Beste) ist, dass sie dieser Gewalttätigkeit nicht einmal froh werden, dass alle diese Handlungsgesellschaften auf dem Punkt des nahen Umsturzes stehen, dass die Zuckerinseln, dieser Sitz der allergrausamsten und ausgedachtesten Sklaverei, keinen wahren Ertrag abwerfen, sondern nur mittelbar, und zwar zu einer nicht sehr löblichen Absicht, nämlich zu Bildung der Matrosen für Kriegsflotten, und also wieder zu Führung der Kriege in Europa dienen, und dieses möchten, die von der Frömmigkeit viel Werks machen, und, indem sie Unrecht wie Wasser trinken, sich in der Rechtgläubigkeit für Auserwählte gehalten wissen wollen.

Da es nun mit der unter den Völkern der Erde einmal durchgängig überhandgenommenen (engeren oder weiteren) Gemeinschaft so weit gekommen ist, dass die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird: so ist die Idee eines Weltbürgerrechts keine phantastische und überspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine notwendige Ergänzung des ungeschriebenen Kodex, sowohl des Staats- als Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrecht überhaupt, und so zum ewigen Frieden, zu dem man sich in der kontinuierlichen Annäherung zu befinden nur unter dieser Bedingung schmeicheln darf.

Erster Zusatz - Von der Garantie des ewigen Friedens

Das, was diese Gewähr (Garantie) leistet, ist nichts Geringeres, als die große Künstlerin Natur (natura daedala rerum), aus deren mechanischem Lauf sichtbar Zweckmäßigkeit hervorleuchtet, durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider ihren Willen emporkommen zu lassen, und darum, gleich als Nötigung einer ihren Wirkungsgesetzen nach uns unbekannten Ursache, Schicksal, bei Erwägung aber ihrer Zweckmäßigkeit im Laufe der Welt, als tiefliegende Weisheit einer höheren, auf den objektiven Endzweck des menschlichen Geschlechts gerichteten, und diesen Weltlauf prädeterminierenden Ursache Vorsehung11 genannt wird, die wir zwar eigentlich nicht an diesen Kunstanstalten der Natur erkennen, oder auch nur daraus auf sie schließen, sondern (wie in aller Beziehung der Form der Dinge auf Zwecke überhaupt) nur hinzudenken können und müssen, um uns von ihrer Möglichkeit, nach der Analogie menschlicher Kunsthandlungen, einen Begriff zu machen, deren Verhältnis und Zusammenstimmung aber zu dem Zweck, den uns die Vernunft unmittelbar vorschreibt (dem moralischen), sich vorzustellen eine Idee ist, die zwar in theoretischer Absicht überschwänglich, in praktischer aber (zum Beispiel in Ansehung des Pflichtbegriffs vom ewigen Frieden, um jenen Mechanismus der Natur dazu zu benutzen) dogmatisch und ihrer Realität nach wohl gegründet ist. - Der Gebrauch des Worts Natur ist auch, wenn es, wie hier, bloß um Theorie (nicht um Religion) zu tun ist, schicklicher für die Schranken der menschlichen Vernunft (als die sich in Ansehung des Verhältnisses der Wirkungen zu ihren Ursachen, innerhalb den Grenzen möglicher Erfahrung halten muss), und bescheidener, als der Ausdruck einer für uns erkennbaren Vorsehung, mit dem man sich vermessener Weise ikarische Flügel ansetzt, um dem Geheimnis ihrer unergründlichen Absicht näher zu kommen.

Ehe wir nun diese Gewährleistung näher bestimmen, wird es nötig sein, vorher den Zustand nachzusuchen, den die Natur für die auf ihrem großen Schauplatz handelnde Personen veranstaltet hat, der ihre Friedenssicherung zuletzt notwendig macht; - alsdann aber allererst die Art, wie sie diese leiste.

Ihre provisorische Veranstaltung besteht darin: dass sie 1) für die Menschen in allen Erdgegenden gesorgt hat, daselbst leben zu können; - 2) sie durch Krieg allerwärts hin, selbst in die unwirtbarste Gegenden, getrieben hat, um sie zu bevölkern; 3) - durch eben denselben sie in mehr oder weniger gesetzliche Verhältnisse zu treten genötigt hat. - Dass in den kalten Wüsten am Eismeer noch das Moos wächst, welches das Rentier unter dem Schnee hervorscharrt, um selbst die Nahrung, oder auch das Angespann des Ostjaken oder Samojeden zu sein; oder dass die salzichsten Sandwüsten doch noch dem Kamel, welches zu Bereisung derselben gleichsam geschaffen zu sein scheint, um sie nicht unbenutzt zu lassen, enthalten, ist schon bewundernswürdig. Noch deutlicher aber leuchtet der Zweck hervor, wenn man gewahr wird, wie, außer den bepelzten Tieren am Ufer des Eismeeres, noch Robben, Walrosse und Walfische an ihrem Fleische Nahrung, und mit ihrem Tran Feuerung für die dortigen Anwohner darreichen. Am meisten aber erregt die Vorsorge der Natur durch das Treibholz Bewunderung, was sie (ohne dass man recht weiß, wo es herkommt) diesen gewächslosen Gegenden zubringt, ohne welches Material sie weder ihre Fahrzeuge und Waffen, noch ihre Hütten zum Aufenthalt zurichten könnten; wo sie dann mit dem Krieg gegen die Tiere genug zu tun haben, um unter sich friedlich zu leben. - Was sie aber dahin getrieben hat, ist vermutlich nichts anderes als der Krieg gewesen. Das erste Kriegswerkzeug aber unter allen Tieren, die der Mensch, binnen der Zeit der Erdbevölkerung, zu zähmen und häuslich zu machen gelernt hatte, ist das Pferd (denn der Elefant gehört in die spätere Zeit, nämlich des Luxus schon errichteter Staaten), so wie die Kunst, gewisse, für uns jetzt, ihrer ursprünglichen Beschaffenheit nach, nicht mehr erkennbare Grasarten, Getreide genannt, anzubauen, ingleichen die Vervielfältigung und Verfeinerung der Obstarten durch Verpflanzung und Einpfropfung (vielleicht in Europa bloß zweier Gattungen, der Holzäpfel und Holzbirnen), nur im Zustande schon errichteter Staaten, wo gesichertes Grundeigentum stattfand, entstehen konnte, - nachdem die Menschen vorher in gesetzloser Freiheit von dem Jagd-12, Fischer- und Hirtenleben bis zum Ackerleben durchgedrungen waren, und nun Salz und Eisen erfunden ward, vielleicht die ersteren weit und breit gesuchten Artikel eines Handelsverkehrs verschiedener Völker wurden, wodurch sie zuerst in ein friedliches Verhältnis gegeneinander, und so, selbst mit Entfernteren, in Einverständnis, Gemeinschaft und friedliches Verhältnis untereinander gebracht wurden.

Indem die Natur nun dafür gesorgt hat, dass Menschen allerwärts auf Erden leben könnten, so hat sie zugleich auch despotisch gewollt, dass sie allerwärts leben sollten, wenn gleich wider ihre Neigung, und selbst ohne dass dieses Sollen zugleich einen Pflichtbegriff voraussetzte, der sie hierzu, vermittelst eines moralischen Gesetzes, verbände, - sondern sie hat, zu diesem ihrem Zweck zu gelangen, den Krieg gewählt. - Wir sehen nämlich Völker, die an der Einheit ihrer Sprache die Einheit ihrer Abstammung kennbar machen, wie die Samojeden am Eismeer einerseits, und ein Volk von ähnlicher Sprache, zweihundert Meilen davon entfernt, im Altaischen Gebirge andererseits, wo zwischen sich ein anderes, nämlich mongolisches, berittenes und hiermit kriegerisches Volk gedrängt, und so jenen Teil ihres Stammes, weit von diesem, in die unwirtbarsten Eisgegenden, versprengt hat, wo sie gewiss nicht aus eigener Neigung sich hin verbreitet hätten;13- ebenso die Finnen in der nördlichsten Gegend von Europa, Lappen genannt, von den jetzt eben so weit entfernten, aber der Sprache nach mit ihnen verwandten Ungarn, durch dazwischen eingedrungene gotische und sarmatische Völker getrennt; und was kann wohl anders die Eskimos (vielleicht uralte europäische Abenteurer, ein von allen Amerikanern ganz unterschiedenes Geschlecht) im Norden, und die Pescheräs im Süden von Amerika, bis zum Feuerland hingetrieben haben, als der Krieg, dessen sich die Natur als Mittel bedient, die Erde allerwärts zu bevölkern? Der Krieg aber selbst bedarf keines besonderen Bewegungsgrundes, sondern scheint auf die menschliche Natur gepfropft zu sein, und sogar als etwas Edles, wozu der Mensch durch den Ehrtrieb, ohne eigennützige Triebfedern, beseelt wird, zu gelten: so, dass Kriegsmut (von amerikanischen Wilden sowohl, als den europäischen, in den Ritterzeiten) nicht bloß, wenn Krieg ist (wie billig), sondern auch, dass Krieg sei, von unmittelbarem großem Wert zu sein geurteilt wird, und er oft, bloß um jenen zu zeigen, angefangen, mithin in dem Kriege an sich selbst eine innere Würde gesetzt wird, sogar dass ihm auch wohl Philosophen, als einer gewissen Veredelung der Menschheit, eine Lobrede halten, uneingedenk des Ausspruchs jenes Griechen: „Der Krieg ist darin schlimm, dass er mehr böse Leute macht, als er deren wegnimmt.“ - So viel von dem, was die Natur für ihren eigenen Zweck, in Ansehung der Menschengattung als einer Tierklasse, tut.

Jetzt ist die Frage, die das Wesentliche der Absicht auf den ewigen Frieden betrifft: „Was die Natur in dieser Absicht, beziehungsweise auf den Zweck, den dem Menschen seine eigene Vernunft zur Pflicht macht, mithin zu Begünstigung seiner moralischen Absicht tue, und wie sie die Gewähr leiste, dass dasjenige, was der Mensch nach Freiheitsgesetzen tun sollte, aber nicht tut, dieser Freiheit unbeschadet auch durch einen Zwang der Natur, dass er es tun werde, gesichert sei, und zwar nach allen drei Verhältnissen des öffentlichen Rechts, des Staats-, Völker- und weltbürgerlichen Rechts.“ - Wenn ich von der Natur sage: sie will, dass dieses oder jenes geschehe, so heißt das nicht soviel, als: sie legt uns eine Pflicht auf, es zu tun (denn das kann nur die zwangsfreie praktische Vernunft), sondern sie tut es selbst, wir mögen wollen oder nicht (fata volentem ducunt, nolentem trahunt).

  1. Wenn ein Volk auch nicht durch innere Misshelligkeit genötigt würde, sich unter den Zwang öffentlicher Gesetze zu begeben, so würde es doch der Krieg von außen tun, indem, nach der vorher erwähnten Naturanstalt, ein jedes Volk ein anderes es drängende Volk zum Nachbar vor sich findet, gegen das es sich innerlich zu einem Staat bilden muss, um, als Macht, gegen diesen gerüstet zu sein. Nun ist die republikanische Verfassung die einzige, welche dem Recht der Menschen vollkommen angemessen, aber auch die schwerste zu stiften, vielmehr noch zu erhalten ist, dermaßen, dass viele behaupten, es müsse ein Staat von Engeln sein, weil Menschen mit ihren selbstsüchtigen Neigungen einer Verfassung von so sublimer Form nicht fähig wären. Aber nun kommt die Natur dem verehrten, aber zur Praxis ohnmächtigen allgemeinen, in der Vernunft gegründeten Willen, und zwar gerade durch jene selbstsüchtige Neigungen, zu Hilfe, so, dass es nur auf eine gute Organisation des Staats ankommt (die allerdings im Vermögen der Menschen ist), jener ihre Kräfte so gegeneinander zu richten, dass eine die anderen in ihrer zerstörenden Wirkung aufhält, oder diese aufhebt: sodass der Erfolg für die Vernunft so ausfällt, als wenn beide gar nicht da wären, und so der Mensch, wenngleich nicht ein moralisch-guter Mensch, dennoch ein guter Bürger zu sein gezwungen wird. Das Problem der Staatserrichtung ist, so hart wie es auch klingt, selbst für ein Volk von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben), auflösbar und lautet so: „Eine Menge von vernünftigen Wesen, die insgesamt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber im Geheimen sich davon auszunehmen geneigt ist, so zu ordnen und ihre Verfassung einzurichten, dass, obgleich sie in ihren Privatgesinnungen einander entgegen streben, diese einander doch so aufhalten, dass in ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg eben derselbe ist, als ob sie keine solche böse Gesinnungen hätten.“ Ein solches Problem muss lösbar sein. Denn es ist nicht die moralische Besserung der Menschen, sondern nur der Mechanismus der Natur, von dem die Aufgabe zu wissen verlangt, wie man ihn an Menschen benutzen könne, um den Widerstreit ihrer unfriedlichen Gesinnungen in einem Volk so zu richten, dass sie sich unter Zwangsgesetze zu begeben einander selbst nötigen, und so den Friedenszustand, in welchem Gesetze Kraft haben, herbeiführen müssen. Man kann dieses auch an den wirklich vorhandenen, noch sehr unvollkommen organisierten Staaten sehen, dass sie sich doch im äußeren Verhalten dem, was die Rechtsidee vorschreibt, schon sehr nähern, obgleich das Innere der Moralität davon sicherlich nicht die Ursache ist (wie denn auch nicht von dieser die gute Staatsverfassung, sondern vielmehr, umgekehrt, von der Letzteren allererst die gute moralische Bildung eines Volks zu erwarten ist), mithin der Mechanismus der Natur durch selbstsüchtige Neigungen, die natürlicherweise einander auch äußerlich entgegen wirken, von der Vernunft zu einem Mittel gebraucht werden kann, dieser ihrem eigenen Zweck, der rechtlichen Vorschrift, Raum zu machen, und hiermit auch, soviel an dem Staat selbst liegt, den inneren sowohl als äußeren Frieden zu befördern und zu sichern. - Hier heißt es also: Die Natur will unwiderstehlich, dass das Recht zuletzt die Obergewalt erhalte. Was man nun hier verabsäumt zu tun, das macht sich zuletzt selbst, obzwar mit viel Ungemächlichkeit. – „Biegt man das Rohr zu stark, so bricht's; und wer zu viel will, der will nichts.“ [Friedrich Ludewig] Bouterwe[c]k
  2. Die Idee des Völkerrechts setzt die Absonderung vieler voneinander unabhängiger benachbarter Staaten voraus, und, obgleich ein solcher Zustand an sich schon ein Zustand des Krieges ist (wenn nicht eine föderative Vereinigung derselben dem Ausbruch der Feindseligkeiten vorbeugt): so ist doch selbst dieser, nach der Vernunftidee, besser als die Zusammenschmelzung derselben, durch eine die andere überwachsende, und in eine Universalmonarchie übergehende Macht; weil die Gesetze mit dem vergrößten Umfange der Regierung immer mehr an ihrem Nachdruck einbüßen, und ein seelenloser Despotismus, nachdem er die Keime des Guten ausgerottet hat, zuletzt doch in Anarchie verfällt. Indessen ist dieses das Verlangen jedes Staats (oder seines Oberhaupts), auf diese Art sich in den dauernden Friedenszustand zu versetzen, dass er, wo möglich, die ganze Welt beherrscht. Aber die Natur will es anders. - Sie bedient sich zweier Mittel, um Völker von der Vermischung abzuhalten und sie abzusondern, der Verschiedenheit der Sprachen und der Religionen 14, die zwar den Hang zum wechselseitigen Hasse, und Vorwand zum Krieg bei sich führt, aber doch, bei anwachsender Kultur und der allmählichen Annäherung der Menschen zu größerer Einstimmung in Prinzipien, zum Einverständnis in einem Frieden leitet, der nicht, wie jener Despotismus (auf dem Kirchhof der Freiheit), durch Schwächung aller Kräfte, sondern durch ihr Gleichgewicht, im lebhaftesten Wetteifer derselben, hervorgebracht und gesichert wird.
  3. So wie die Natur weislich die Völker trennt, welche der Wille jedes Staats, und zwar selbst nach Gründen des Völkerrechts, gern unter sich durch List oder Gewalt vereinigen möchte: so vereinigt sie auch andererseits Völker, die der Begriff des Weltbürgerrechts gegen Gewalttätigkeit und Krieg nicht würde gesichert haben, durch den wechselseitigen Eigennutz. Es ist der Handelsgeist, der mit dem Krieg nicht zusammen bestehen kann, und der früher oder später sich jedes Volks bemächtigt. Weil nämlich unter allen, der Staatsmacht untergeordneten, Mächten (Mitteln) die Geldmacht wohl die zuverlässigste sein möchte, so sehen sich Staaten (freilich wohl nicht eben durch Triebfedern der Moralität) gedrungen, den edlen Frieden zu befördern, und, wo auch immer in der Welt Krieg auszubrechen droht, ihn durch Vermittlungen abzuwehren, gleich als ob sie deshalb im beständigen Bündnisse ständen; denn große Vereinigungen zum Kriege können, der Natur der Sache nach, sich nur höchst selten zutragen, und noch seltener glücken. - - Auf die Art garantiert die Natur, durch den Mechanismus in den menschlichen Neigungen selbst, den ewigen Frieden; freilich mit einer Sicherheit, die nicht hinreichend ist, die Zukunft desselben (theoretisch) zu weissagen, aber doch in praktischer Absicht zulangt, und es zur Pflicht macht, zu diesem (nicht bloß schimärischen) Zwecke hinzuarbeiten.

Zweiter Zusatz - Geheimer Artikel zum ewigen Frieden

Ein geheimer Artikel in Verhandlungen des öffentlichen Rechts ist objektiv, dies ist seinem Inhalte nach betrachtet, ein Widerspruch; subjektiv aber, nach der Qualität der Person beurteilt, die ihn diktiert, kann gar wohl darin ein Geheimnis statthaben, dass sie es nämlich für ihre Würde bedenklich findet, sich öffentlich als Urheberin desselben anzukündigen.

Der einzige Artikel dieser Art ist in dem Satz enthalten: Die Maximen der Philosophen über die Bedingungen der Möglichkeit des öffentlichen Friedens sollen von den zum Krieg gerüsteten Staaten zu Rate gezogen werden.

Es scheint aber für die gesetzgebende Autorität eines Staats, dem man natürlicherweise die größte Weisheit beilegen muss, verkleinerlich zu sein, über die Grundsätze seines Verhaltens gegen andere Staaten bei Untertanen (den Philosophen) Belehrung zu suchen; gleichwohl aber sehr ratsam, es zu tun. Also wird der Staat die Letztere stillschweigend (also, indem er ein Geheimnis daraus macht) dazu auffordern, welches soviel heißt, als: er wird sie frei und öffentlich über die allgemeine Maximen der Kriegsführung und Friedensstiftung reden lassen (denn das werden sie schon von selbst tun, wenn man es ihnen nur nicht verbietet) und die Übereinkunft der Staaten untereinander über diesen Punkt bedarf auch keiner besonderen Verabredung der Staaten unter sich in dieser Absicht, sondern liegt schon in der Verpflichtung durch allgemeine (moralische gesetzgebende) Menschenvernunft. - Es ist aber hiermit nicht gemeint: dass der Staat den Grundsätzen des Philosophen vor den Aussprüchen des Juristen (des Stellvertreters der Staatsmacht) den Vorzug einräumen müsse, sondern nur, dass man ihn höre. Der Letztere, der die Waage des Rechts und, nebenbei auch das Schwert der Gerechtigkeit sich zum Symbol gemacht hat, bedient sich gemeiniglich des Letzteren, nicht um etwa bloß alle fremde Einflüsse von dem Ersteren abzuhalten, sondern, wenn die eine Schale nicht sinken will, das Schwert mit hinein zu legen (vae victis), wozu der Jurist, der nicht zugleich (auch der Moralität nach) Philosoph ist, die größte Versuchung hat, weil es seines Amts nur ist, vorhandene Gesetze anzuwenden, nicht aber, ob diese selbst nicht einer Verbesserung bedürfen, zu untersuchen, und rechnet diesen in der Tat niedrigeren Rang seiner Fakultät, darum weil er mit Macht begleitet ist (wie es auch mit den beiden anderen der Fall ist), zu den höheren. - Die philosophische steht unter dieser verbündeten Gewalt auf einer sehr niedrigen Stufe. So heißt es z.B. von der Philosophie, sie sei die Magd der Theologie (und eben so lautet es von den zwei anderen). - Man sieht aber nicht recht, „ob sie ihrer gnädigen Frauen die Fackel vorträgt oder die Schleppe nachträgt.“

Dass Könige philosophieren, oder Philosophen Könige würden, ist nicht zu erwarten, aber auch nicht zu wünschen; weil der Besitz der Gewalt das freie Urteil der Vernunft unvermeidlich verdirbt. Dass aber Könige oder königliche (sich selbst nach Gleichheitsgesetzen beherrschende) Völker die Klasse der Philosophen nicht schwinden oder verstummen, sondern öffentlich sprechen lassen, ist beiden zu Beleuchtung ihres Geschäfts unentbehrlich und, weil diese Klasse ihrer Natur nach der Rottierung und Klubbenverbündung unfähig ist, wegen der Nachrede einer Propaganda verdachtslos.

Anhang

I. Über die Misshelligkeit zwischen der Moral und der Politik, in Absicht auf den ewigen Frieden

Die Moral ist schon an sich selbst eine Praxis in objektiver Bedeutung, als Inbegriff von unbedingt gebietenden Gesetzen, nach denen wir handeln sollen, und es ist offenbare Ungereimtheit, nachdem man diesem Pflichtbegriff seine Autorität zugestanden hat, noch sagen zu wollen, dass man es doch nicht könne. Denn alsdann fällt dieser Begriff aus der Moral von selbst weg (ultra posse nemo obligatur15); mithin kann es keinen Streit der Politik, als ausübender Rechtslehre, mit der Moral, als einer solchen, aber theoretischen (mithin keinen Streit der Praxis mit der Theorie) geben: man müsste denn unter der Letzteren eine allgemeine Klugheitslehre, dies ist eine Theorie der Maximen verstehen, zu seinen auf Vorteil berechneten Absichten die tauglichsten Mittel zu wählen, dies ist leugnen, dass es überhaupt eine Moral gebe.

Die Politik sagt: „Seid klug wie die Schlangen“; die Moral setzt (als einschränkende Bedingung) hinzu: „und ohne Falsch wie die Tauben“. Wenn beides nicht in einem Gebot zusammen bestehen kann, so ist wirklich ein Streit der Politik mit der Moral; soll aber doch durchaus beides vereinigt sein, so ist der Begriff vom Gegenteil absurd, und die Frage, wie jener Streit auszugleichen sei, lässt sich gar nicht einmal als Aufgabe hinstellen. Obgleich der Satz: Ehrlichkeit ist die beste Politik, eine Theorie enthält, der die Praxis, leider sehr häufig widerspricht: so ist doch der gleichfalls theoretische: Ehrlichkeit ist besser denn alle Politik, über allen Einwurf unendlich erhaben, ja die unumgängliche Bedingung der Letzteren. Der Grenzgott der Moral weicht nicht dem Jupiter (dem Grenzgott der Gewalt); denn dieser steht noch unter dem Schicksal, dies ist die Vernunft ist nicht erleuchtet genug, die Reihe der vorherbestimmenden Ursachen zu übersehen, die den glücklichen oder schlimmen Erfolg aus dem Tun und Lassen der Menschen, nach dem Mechanismus der Natur, mit Sicherheit vorher verkündigen (obgleich ihn dem Wunsche gemäß hoffen) lassen. Was man aber zu tun habe, um im Gleise der Pflicht (nach Regeln der Weisheit) zu bleiben, dazu und hiermit zum Endzweck leuchtet sie uns überall hell genug vor.

Nun gründet aber der Praktiker (dem die Moral bloße Theorie ist) seine trostlose Absprechung unserer gutmütigen Hoffnung (selbst bei eingeräumtem Sollen und Können) eigentlich darauf: dass er aus der Natur des Menschen vorher zu sehen vorgibt, er werde dasjenige nie wollen, was erfordert wird, um jenen zum ewigen Frieden hinführenden Zweck zu Stande zu bringen. - Freilich ist das Wollen aller einzelnen Menschen, in einer gesetzlichen Verfassung nach Freiheitsprinzipien zu leben (die distributive Einheit des Willens aller), zu diesem Zweck nicht hinreichend, sondern dass alle zusammen diesen Zustand wollen (die kollektive Einheit des vereinigten Willens), diese Auflösung einer schweren Aufgabe, wird noch dazu erfordert, damit ein Ganzes der bürgerlichen Gesellschaft werde, und, da also, über diese Verschiedenheit des partikularen Wollens aller, noch eine vereinigende Ursache desselben hinzukommen muss, um einen gemeinschaftlichen Willen herauszubringen, welches keiner von allen vermag: so ist in der Ausführung jener Idee (in der Praxis) auf keinen andern Anfang des rechtlichen Zustandes zu rechnen, als den durch Gewalt, auf deren Zwang nachher das öffentliche Recht gegründet wird; welches dann freilich (da man ohnedem des Gesetzgebers moralische Gesinnung hierbei wenig in Anschlag bringen kann, er werde, nach geschehener Vereinigung der wüsten Menge in ein Volk, diesem es nur überlassen, eine rechtliche Verfassung durch ihren gemeinsamen Willen zu Stande zu bringen) große Abweichungen von jener Idee (der Theorie) in der wirklichen Erfahrung schon zum Voraus erwarten lässt.

Da heißt es dann: wer einmal die Gewalt in Händen hat, wird sich vom Volk nicht Gesetze vorschreiben lassen. Ein Staat, der einmal im Besitz ist, unter keinen äußeren Gesetzen zu stehen, wird sich in Ansehung der Art, wie er gegen andere Staaten sein Recht suchen soll, nicht von ihrem Richterstuhl abhängig machen, und selbst ein Weltteil, wenn er sich einem anderen, der ihm übrigens nicht im Wege ist, überlegen fühlt, wird das Mittel der Verstärkung seiner Macht, durch Beraubung oder gar Beherrschung desselben, nicht unbenutzt lassen; und so zerrinnen nun alle Plane der Theorie, für das Staats-, Völker- und Weltbürgerrecht, in sachleere unausführbare Ideale, dagegen eine Praxis, die auf empirische Prinzipien der menschlichen Natur gegründet ist, welche es nicht für zu niedrig hält, aus der Art, wie es in der Welt zugeht, Belehrung für ihre Maximen zu ziehen, einen sicheren Grund für ihr Gebäude der Staatsklugheit zu finden allein hoffen könne.

Freilich, wenn es keine Freiheit und darauf gegründetes moralisches Gesetz gibt, sondern alles, was geschieht oder geschehen kann, bloßer Mechanismus der Natur ist, so ist Politik (als Kunst, diesen zur Regierung der Menschen zu benutzen) die ganze praktische Weisheit, und der Rechtsbegriff ein sachleerer Gedanke. Findet man diesen aber doch unumgänglich nötig mit der Politik zu verbinden, ja ihn gar zur einschränkenden Bedingung der Letzteren zu erheben, so muss die Vereinbarkeit beider eingeräumt werden. Ich kann mir nun zwar einen moralischen Politiker, dies ist einen, der die Prinzipien der Staatsklugheit so nimmt, dass sie mit der Moral zusammen bestehen können, aber nicht einen politischen Moralisten denken, der sich eine Moral so schmiedet, wie es der Vorteil des Staatsmanns sich zuträglich findet.

Der moralische Politiker wird es sich zum Grundsatz machen: Wenn einmal Gebrechen in der Staatsverfassung oder im Staatenverhältnis angetroffen werden, die man nicht hat verhüten können, so sei es Pflicht, vornehmlich für Staatsoberhäupter, dahin bedacht zu sein, wie sie, sobald wie möglich, gebessert, und dem Naturrecht, so wie es in der Idee der Vernunft uns zum Muster vor Augen steht, angemessen gemacht werden könne: sollte es auch ihrer Selbstsucht Aufopferungen kosten. Da nun die Zerreißung eines Bandes der Staats- oder weltbürgerlichen Vereinigung, ehe noch eine bessere Verfassung an die Stelle derselben zu treten in Bereitschaft ist, aller hierin mit der Moral einhelligen Staatsklugheit zuwider ist, so wäre es zwar ungereimt zu fordern, jenes Gebrechen müsse sofort und mit Ungestüm abgeändert werden; aber dass wenigstens die Maxime der Notwendigkeit einer solchen Abänderung dem Machthabenden innigst beiwohne, um in beständiger Annäherung zu dem Zwecke (der nach Rechtsgesetzen besten Verfassung) zu bleiben, das kann doch von ihm gefordert werden. Ein Staat kann sich auch schon republikanisch regieren, wenn er gleich noch, der vorliegenden Konstitution nach, despotische Herrschermacht besitzt: bis allmählich das Volk des Einflusses der bloßen Idee der Autorität des Gesetzes (gleich als ob es physische Gewalt besäße) fähig wird, und sonach zur eigenen Gesetzgebung (welche ursprünglich auf Recht gegründet ist) tüchtig befunden wird. Wenn auch durch den Ungestüm einer von der schlechten Verfassung erzeugten Revolution unrechtmäßiger Weise eine gesetzmäßigere errungen wäre, so würde es doch auch alsdann nicht mehr für erlaubt gehalten werden müssen, das Volk wieder auf die alte zurückzuführen, obgleich während derselben jeder, der sich damit gewalttätig oder arglistig bemengt, mit Recht den Strafen des Aufrührers unterworfen sein würde. Was aber das äußere Staatenverhältnis betrifft, so kann von einem Staat nicht verlangt werden, dass er seine, obgleich despotische, Verfassung (die aber doch die stärkere in Beziehung auf äußere Feinde ist) ablegen solle, so lange er Gefahr läuft, von anderen Staaten sofort verschlungen zu werden; mithin muss bei jenem Vorsatz doch auch die Verzögerung der Ausführung bis zu besserer Zeitgelegenheit erlaubt sein. 16

Es mag also immer sein: dass die despotisierende (in der Ausübung fehlende) Moralisten wider die Staatsklugheit (durch übereilt genommene oder angepriesene Maßregeln) mannigfaltig verstoßen, so muss sie doch die Erfahrung, bei diesem ihrem Verstoß wider die Natur, nach und nach in ein besseres Gleis bringen; stattdessen die moralisierende Politiker, durch Beschönigung rechtswidriger Staatsprinzipien, unter dem Vorwand einer des Guten, nach der Idee, wie sie die Vernunft vorschreibt, nicht fähigen menschlichen Natur, so viel an ihnen ist, das Besserwerden unmöglich machen, und die Rechtsverletzung verewigen.

Statt der Praxis, deren sich diese staatskluge Männer rühmen, gehen sie mit Praktiken um, indem sie bloß darauf bedacht sind, dadurch, dass sie der jetzt herrschenden Gewalt zum Munde reden (um ihren Privatvorteil nicht zu verfehlen), das Volk, und, wo möglich, die ganze Welt preiszugeben; nach der Art echter Juristen (vom Handwerk, nicht von der Gesetzgebung), wenn sie sich bis zur Politik versteigen. Denn da dieser ihr Geschäft nicht ist, über Gesetzgebung selbst zu vernünfteln, sondern die gegenwärtige Gebote des Landrechts zu vollziehen, so muss ihnen jede, jetzt vorhandene, gesetzliche Verfassung, und, wenn diese höheren Orts abgeändert wird, die nun folgende, immer die beste sein; wo dann alles so in seiner gehörigen mechanischen Ordnung ist. Wenn aber diese Geschicklichkeit, für alle Sättel gerecht zu sein, ihnen den Wahn einflößt, auch über Prinzipien einer Staatsverfassung überhaupt nach Rechtsbegriffen (mithin a priori, nicht empirisch) urteilen zu können; wenn sie darauf groß tun, Menschen zu kennen (welches freilich zu erwarten ist, weil sie mit vielen zu tun haben), ohne doch den Menschen, und was aus ihm gemacht werden kann, zu kennen (wozu ein höherer Standpunkt der anthropologischen Beobachtung erfordert wird), mit diesen Begriffen aber versehen ans Staats- und Völkerrecht, wie es die Vernunft vorschreibt, gehen: so können sie diesen Überschritt nicht anders, als mit dem Geist der Schikane tun, indem sie ihr gewohntes Verfahren (eines Mechanismus nach despotisch gegebenen Zwangsgesetzen) auch da befolgen, wo die Begriffe der Vernunft einen nur nach Freiheitsprinzipien gesetzmäßigen Zwang begründet wissen wollen, durch welchen allererst eine zu Recht beständige Staatsverfassung möglich ist; welche Aufgabe der vorgebliche Praktiker, mit Vorbeigehung jener Idee, empirisch, aus Erfahrung, wie die bisher noch am besten bestandene, mehrenteils aber rechtswidrige, Staatsverfassungen eingerichtet waren, lösen zu können glaubt. - Die Maximen, deren er sich hierzu bedient (ob er sie zwar nicht laut werden lässt), laufen ungefähr auf folgende sophistische Maximen hinaus.

  1. Fac et excusa. Ergreife die günstige Gelegenheit zur eigenmächtigen Besitznehmung (entweder eines Rechts des Staats über sein Volk, oder über ein anderes benachbarte); die Rechtfertigung wird sich weit leichter und zierlicher nach der Tat vortragen, und die Gewalt beschönigen lassen (vornehmlich im ersten Fall, wo die obere Gewalt im Innern sofort auch die gesetzgebende Obrigkeit ist, der man gehorchen muss, ohne darüber zu vernünfteln); als wenn man zuvor auf überzeugende Gründe sinnen, und die Gegengründe darüber noch erst abwarten wollte. Diese Dreistigkeit selbst gibt einen gewissen Anschein von innerer Überzeugung der Rechtmäßigkeit der Tat, und der Gott bonus eventus ist nachher der beste Rechtsvertreter.
  2. Si fecisti nega. Was du selbst verbrochen hast, z.B. um dein Volk zur Verzweiflung, und so zum Aufruhr zu bringen, das leugne ab, dass es deine Schuld sei; sondern behaupte, dass es die der Widerspenstigkeit der Untertanen, oder auch, bei deiner Bemächtigung eines benachbarten Volks, die Schuld der Natur des Menschen sei, der, wenn er dem andern nicht mit Gewalt zuvorkommt, sicher darauf rechnen kann, dass dieser ihm zuvorkommen und sich seiner bemächtigen werde.
  3. Divide et impera. Das ist: sind gewisse privilegierte Häupter in deinem Volk, welche dich bloß zu ihrem Oberhaupt (primus inter pares) gewählt haben, so veruneinige jene unter einander, und entzweie sie mit dem Volk: stehe nun dem Letzteren, unter Vorspiegelung größerer Freiheit, bei, so wird alles von deinem unbedingten Willen abhängen. Oder sind es äußere Staaten, so ist Erregung der Misshelligkeit unter ihnen ein ziemlich sicheres Mittel, unter dem Schein des Beistandes des Schwächeren, einen nach dem andern dir zu unterwerfen.

Durch diese politische Maximen wird nun zwar niemand hintergangen; denn sie sind insgesamt schon allgemein bekannt; auch ist es mit ihnen nicht der Fall sich zu schämen, als ob die Ungerechtigkeit gar zu offenbar in die Augen leuchtete. Denn, weil sich große Mächte nie vor dem Urteil des gemeinen Haufens, sondern nur eine vor der anderen schämen, was aber jene Grundsätze betrifft, nicht das Offenbarwerden, sondern nur das Misslingen derselben sie beschämt machen kann (denn in Ansehung der Moralität der Maximen kommen sie alle unter einander überein), so bleibt ihnen immer die politische Ehre übrig, auf die sie sicher rechnen können, nämlich die der Vergrößerung ihrer Macht, auf welchem Wege sie auch erworben sein mag. 17

Aus allen diesen Schlangenwendungen einer unmoralischen Klugheitslehre, den Friedenszustand unter Menschen aus dem kriegerischen des Naturzustandes herauszubringen, erhellt wenigstens so viel: dass die Menschen, ebenso wenig in ihren Privatverhältnissen, als in ihren öffentlichen, dem Rechtsbegriff entgehen können, und sich nicht getrauen, die Politik öffentlich bloß auf Handgriffe der Klugheit zu gründen, mithin dem Begriff eines öffentlichen Rechts allen Gehorsam aufzukündigen (welches vornehmlich in dem des Völkerrechts auffallend ist), sondern ihm an sich alle gebührende Ehre widerfahren lassen, wenn sie auch hundert Ausflüchte und Bemäntelungen aussinnen sollten, um ihm in der Praxis auszuweichen, und der verschmitzten Gewalt die Autorität anzudichten, der Ursprung und der Verband alles Rechts zu sein. - Um dieser Sophisterei (wenn gleich nicht der durch sie beschönigten Ungerechtigkeit) ein Ende zu machen, und die falsche Vertreter der Mächtigen der Erde zum Geständnisse zu bringen, dass es nicht das Recht, sondern die Gewalt sei, der sie zum Vorteil sprechen, von welcher sie, gleich als ob sie selbst hierbei was zu befehlen hätten, den Ton annehmen, wird es gut sein, das Blendwerk aufzudecken, womit man sich und andere hintergeht, das oberste Prinzip, von dem die Absicht auf den ewigen Frieden ausgeht, ausfindig zu machen und zu zeigen: dass alles das Böse, was ihm im Weg ist, davon herrühre: dass der politische Moralist da anfängt, wo der moralische Politiker billigerweise endigt, und, indem er so die Grundsätze dem Zweck unterordnet (dies ist die Pferde hinter den Wagen spannt), seine eigene Absicht vereitelt, die Politik mit der Moral in Einverständnis zu bringen.

Um die praktische Philosophie mit sich selbst einig zu machen, ist nötig, zuvörderst die Frage zu entscheiden; ob in Aufgaben der praktischen Vernunft vom materialen Prinzip derselben, dem Zweck (als Gegenstand der Willkür) der Anfang gemacht werden müsse, oder vom formalen, dies ist demjenigen (bloß auf Freiheit im äußeren Verhältnis gestellten), darnach es heißt: handle so, dass du wollen kannst, deine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden (der Zweck mag sein welcher er wolle).

Ohne alle Zweifel muss das letztere Prinzip vorangehen: denn es hat, als Rechtsprinzip, unbedingte Notwendigkeit, statt dessen das Erstere, nur unter Voraussetzung empirischer Bedingungen des vorgesetzten Zwecks, nämlich der Ausführung desselben, nötigend ist, und, wenn dieser Zweck (z.B. der ewige Friede) auch Pflicht wäre, so müsste doch diese selbst aus dem formalen Prinzip der Maximen, äußerlich zu handeln, abgeleitet worden sein. - Nun ist das erstere Prinzip, das des politischen Moralisten (das Problem des Staats-, Völker- und Weltbürgerrechts), eine bloße Kunstaufgabe (problema technicum), das zweite dagegen, als Prinzip des moralischen Politikers, welchem es eine sittliche Aufgabe (problema morale) ist, im Verfahren von dem anderen himmelweit unterschieden, um den ewigen Frieden, den man nun nicht bloß als physisches Gut, sondern auch als einen aus Pflichtanerkennung hervorgehenden Zustand wünscht, herbeizuführen.

Zur Auflösung des ersten, nämlich des Staatsklugheitsproblems, wird viel Kenntnis der Natur erfordert, um ihren Mechanismus zu dem gedachten Zweck zu benutzen, und doch ist alle diese ungewiss in Ansehung ihres Resultats, den ewigen Frieden betreffend; man mag nun die eine oder die andere der drei Abteilungen des öffentlichen Rechts nehmen. Ob das Volk im Gehorsam und zugleich im Flor besser durch Strenge oder Lockspeise der Eitelkeit, ob durch Obergewalt eines einzigen, oder durch Vereinigung mehrerer Häupter, vielleicht auch bloß durch einen Dienstadel, oder durch Volksgewalt, im Innern, und zwar auf lange Zeit, gehalten werden könne, ist ungewiss. Man hat von allen Regierungsarten (die einzige echt-republikanische, die aber nur einem moralischen Politiker in den Sinn kommen kann, ausgenommen) Beispiele des Gegenteils in der Geschichte. - Noch ungewisser ist ein auf Statute nach Ministerialplanen vorgeblich errichtetes Völkerrecht, welches in der Tat nur ein Wort ohne Sache ist, und auf Verträgen beruht, die in demselben Akt ihrer Beschließung zugleich den geheimen Vorbehalt ihrer Übertretung enthalten. - Dagegen dringt sich die Auflösung des zweiten, nämlich des Staatsweisheitsproblems, sozusagen, von selbst auf, ist jedermann einleuchtend, und macht alle Künstelei zu Schanden, führt dabei gerade zum Zweck; doch mit der Erinnerung der Klugheit, ihn nicht übereilter Weise mit Gewalt herbei zu ziehen, sondern sich ihm, nach Beschaffenheit der günstigen Umstände, unablässig zu nähern.

Da heißt es denn: „Trachtet allererst nach dem Reiche der reinen praktischen Vernunft und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch euer Zweck (die Wohltat des ewigen Friedens) von selbst zufallen.“ Denn das hat die Moral Eigentümliches an sich, und zwar in Ansehung ihrer Grundsätze des öffentlichen Rechts (mithin in Beziehung auf eine a priori erkennbare Politik), dass, je weniger sie das Verhalten von dem vorgesetzten Zweck, dem beabsichtigten, es sei physischem oder sittlichem Vorteil, abhängig macht, desto mehr sie dennoch zu diesem im Allgemeinen zusammenstimmt; welches daher kommt, weil es gerade der a priori gegebene allgemeine Wille (in einem Volk, oder im Verhältnis verschiedener Völker untereinander) ist, der allein, was unter Menschen Rechtens ist, bestimmt; diese Vereinigung des Willens aller aber, wenn nur in der Ausübung konsequent verfahren wird, auch nach dem Mechanismus der Natur, zugleich die Ursache sein kann, die abgezweckte Wirkung hervorzubringen, und dem Rechtsbegriff Effekt zu verschaffen. - So ist es z.B. ein Grundsatz der moralischen Politik: dass sich ein Volk zu einem Staat nach den alleinigen Rechtsbegriffen der Freiheit und Gleichheit vereinigen solle, und dieses Prinzip ist nicht auf Klugheit, sondern auf Pflicht gegründet. Nun mögen dagegen politische Moralisten noch so viel über den Naturmechanismus einer in Gesellschaft tretenden Menschenmenge, welcher jene Grundsätze entkräftete und ihre Absicht vereiteln werde, vernünfteln, oder auch durch Beispiele schlecht organisierter Verfassungen alter und neuer Zeiten (z.B. von Demokratien ohne Repräsentationssystem) ihre Behauptung dagegen zu beweisen suchen, so verdienen sie kein Gehör; vornehmlich, da eine solche verderbliche Theorie das Übel wohl gar selbst bewirkt, was sie vorhersagt, nach welcher der Mensch mit den übrigen lebenden Maschinen in eine Klasse geworfen wird, denen nur noch das Bewusstsein, dass sie nicht freie Wesen sind, beiwohnen dürfte, um sie in ihrem eigenen Urteil zu den elendesten unter allen Weltwesen zu machen.

Der zwar etwas renommistisch klingende, sprichwörtlich in Umlauf gekommene, aber wahre Satz: fiat iustitia, pereat mundus, das heißt zu Deutsch: „Es herrsche Gerechtigkeit, die Schelme in der Welt mögen auch insgesamt darüber zu Grunde gehen“, ist ein wackerer, alle durch Arglist oder Gewalt vorgezeichnete krumme Wege abschneidender Rechtsgrundsatz; nur dass er nicht missverstanden, und etwa als Erlaubnis, sein eigenes Recht mit der größten Strenge zu benutzen (welches der ethischen Pflicht widerstreiten würde), sondern als Verbindlichkeit der Machthabenden, niemanden sein Recht aus Ungunst oder Mitleiden gegen andere zu weigern oder zu schmälern, verstanden wird; wozu vorzüglich eine nach reinen Rechtsprinzipien eingerichtete innere Verfassung des Staats, dann aber auch die der Vereinigung desselben mit andern benachbarten oder auch entfernten Staaten zu einer (einem allgemeinen Staat analogischen) gesetzlichen Ausgleichung ihrer Streitigkeiten erfordert wird. - Dieser Satz will nichts anders sagen, als: die politische Maximen müssen nicht von der, aus ihrer Befolgung zu erwartenden, Wohlfahrt und Glückseligkeit eines jeden Staats, also nicht vom Zweck, den sich ein jeder derselben zum Gegenstande macht (vom Wollen), als dem obersten (aber empirischen) Prinzip der Staatsweisheit, sondern von dem reinen Begriff der Rechtspflicht (vom Sollen, dessen Prinzip a priori durch reine Vernunft gegeben ist) ausgehen, die physische Folgen daraus mögen auch sein, welche sie wollen. Die Welt wird keineswegs dadurch untergehen, dass der bösen Menschen weniger wird. Das moralisch Böse hat die von seiner Natur unabtrennliche Eigenschaft, dass es in seinen Absichten (vornehmlich in Verhältnis gegen andere Gleichgesinnte) sich selbst zuwider und zerstörend ist, und so dem (moralischen) Prinzip des Guten, wenngleich durch langsame Fortschritte, Platz macht.

Es gibt also objektiv (in der Theorie) gar keinen Streit zwischen der Moral und der Politik. Dagegen subjektiv (in dem selbstsüchtigen Hang der Menschen, der aber, weil er nicht auf Vernunftmaximen gegründet ist, noch nicht Praxis genannt werden muss) wird und mag er immer bleiben, weil er zum Wetzstein der Tugend dient, deren wahrer Mut (nach dem Grundsatz: tu ne cede malis, sed contra audentior ito) in gegenwärtigem Falle nicht sowohl darin besteht, den Übeln und Aufopferungen mit festem Vorsatz sich entgegenzusetzen, welche hierbei übernommen werden müssen, sondern dem weit gefährlichem lügenhaften und verräterischen, aber doch vernünftelnden, die Schwäche der menschlichen Natur zur Rechtfertigung aller Übertretung vorspiegelnden bösen Prinzip in uns selbst, in die Augen zu sehen und seine Arglist zu besiegen.

In der Tat kann der politische Moralist sagen: Regent und Volk, oder Volk und Volk tun einander nicht Unrecht, wenn sie einander gewalttätig oder hinterlistig befehden, ob sie zwar überhaupt darin Unrecht tun, dass sie dem Rechtsbegriff, der allein den Frieden auf ewig begründen könnte, alle Achtung versagen. Denn weil der eine seine Pflicht gegen den andeen übertritt, der gerade ebenso rechtswidrig gegen jenen gesinnt ist, so geschieht ihnen beiderseits ganz recht, wenn sie sich untereinander aufreiben, doch so, dass von dieser Rasse immer noch genug übrig bleibt, um dieses Spiel bis zu den entferntesten Zeiten nicht aufhören zu lassen, damit eine späte Nachkommenschaft an ihnen dereinst ein warnendes Beispiel nehme. Die Vorsehung im Laufe der Welt ist hierbei gerechtfertigt; denn das moralische Prinzip im Menschen erlöscht nie, die, pragmatisch, zur Ausführung der rechtlichen Ideen nach jenem Prinzip tüchtige Vernunft wächst noch dazu beständig durch immer fortschreitende Kultur, mit ihr aber auch die Schuld jener Übertretungen. Die Schöpfung allein: dass nämlich ein solcher Schlag von verderbten Wesen überhaupt hat auf Erden sein sollen, scheint durch keine Theodizee gerechtfertigt werden zu können (wenn wir annehmen, dass es mit dem Menschengeschlecht nie besser bestellt sein werde noch könne); aber dieser Standpunkt der Beurteilung ist für uns viel zu hoch, als dass wir unsere Begriffe (von Weisheit) der obersten uns unerforschlichen Macht in theoretischer Absicht unterlegen könnten. - Zu solchen verzweifelten Folgerungen werden wir unvermeidlich hingetrieben, wenn wir nicht annehmen, die reine Rechtsprinzipien haben objektive Realität, dies ist sie lassen sich ausführen; und darnach müsse auch von Seiten des Volks im Staate, und weiterhin von Seiten der Staaten gegeneinander, gehandelt werden; die empirische Politik mag auch dagegen einwenden, was sie wolle. Die wahre Politik kann also keinen Schritt tun, ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben, und ob zwar Politik für sich selbst eine schwere Kunst ist, so ist doch Vereinigung derselben mit der Moral gar keine Kunst; denn diese haut den Knoten entzwei, den jene nicht aufzulösen vermag, sobald beide einander widerstreiten. - Das Recht dem Menschen muss heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten. Man kann hier nicht halbieren, und das Mittelding eines pragmatisch-bedingten Rechts (zwischen Recht und Nutzen) aussinnen, sondern alle Politik muss ihre Knie vor dem Ersteren beugen, kann aber dafür hoffen, ob zwar langsam, zu der Stufe zu gelangen, wo sie beharrlich glänzen wird.

II. Von der Einhelligkeit der Politik mit der Moral nach dem transzendentalen Begriff des öffentlichen Rechts

Wenn ich von aller Materie des öffentlichen Rechts (nach den verschiedenen empirisch-gegebenen Verhältnissen der Menschen im Staat oder auch der Staaten untereinander), so wie es sich die Rechtslehrer gewöhnlich denken, abstrahiere, so bleibt mir noch die Form der Publizität übrig, deren Möglichkeit ein jeder Rechtsanspruch in sich enthält, weil ohne jene es keine Gerechtigkeit (die nur als öffentlich kundbar gedacht werden kann), mithin auch kein Recht, das nur von ihr erteilt wird, geben würde.

Diese Fähigkeit der Publizität muss jeder Rechtsanspruch haben, und sie kann also, da es sich ganz leicht beurteilen lässt, ob sie in einem vorkommenden Falle stattfinde, dies ist ob sie sich mit den Grundsätzen des Handelnden vereinigen lasse oder nicht, ein leicht zu brauchendes, a priori in der Vernunft anzutreffendes Kriterium abgeben, im letzteren Fall die Falschheit (Rechtswidrigkeit) des gedachten Anspruchs (praetensio iuris), gleichsam durch ein Experiment der reinen Vernunft, sofort zu erkennen.

Nach einer solchen Abstraktion von allem Empirischen, was der Begriff des Staats- und Völkerrechts enthält (dergleichen das Bösartige der menschlichen Natur ist, welches den Zwang notwendig macht), kann man folgenden Satz die transzendentale Formel des öffentlichen Rechts nennen:

„Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“

Dieses Prinzip ist nicht bloß als ethisch (zur Tugendlehre gehörig), sondern auch als juridisch (das Recht der Menschen angehend) zu betrachten. Denn eine Maxime, die ich nicht darf laut werden lassen, ohne dadurch meine eigene Absicht zugleich zu vereiteln, die durchaus verheimlicht werden muss, wenn sie gelingen soll, und zu der ich mich nicht öffentlich bekennen kann, ohne dass dadurch unausbleiblich der Widerstand aller gegen meinen Vorsatz gereizt werde, kann diese notwendige und allgemeine, mithin a priori einzusehende, Gegenbearbeitung aller gegen mich nirgend wovon anders, als von der Ungerechtigkeit her haben, womit sie jedermann bedroht. - Es ist ferner bloß negativ, dies ist es dient nur, um, vermittelst desselben, was gegen andere nicht recht ist, zu erkennen. - Es ist gleich einem Axiom unerweislich-gewiss und überdem leicht anzuwenden, wie aus folgenden Beispielen des öffentlichen Rechts zu ersehen ist.

  1. Was das Staatsrecht (ius civitatis), nämlich das innere betrifft: so kommt in ihm die Frage vor, welche viele für schwer zu beantworten halten, und die das transzendentale Prinzip der Publizität ganz leicht auflöset: „Ist Aufruhr ein rechtmäßiges Mittel für ein Volk, die drückende Gewalt eines so genannten Tyrannen (non titulo sed exercitio talis) abzuwerfen?“ Die Rechte des Volks sind gekränkt, und ihm (dem Tyrannen) geschieht kein Unrecht durch die Entthronung; daran ist kein Zweifel. Nichtsdestoweniger ist es doch von den Untertanen im höchsten Grade unrecht, auf diese Art ihr Recht zu suchen, und sie können ebenso wenig über Ungerechtigkeit klagen, wenn sie in diesem Streit unterlägen und nachher deshalb die härteste Strafe ausstehen müssten.

Hier kann nun vieles für und dawider vernünftelt werden, wenn man es durch eine dogmatische Deduktion der Rechtsgründe ausmachen will; allein das transzendentale Prinzip der Publizität des öffentlichen Rechts kann sich diese Weitläufigkeit ersparen. Nach demselben frägt sich vor Errichtung des bürgerlichen Vertrags das Volk selbst, ob es sich wohl getraue, die Maxime des Vorsatzes einer gelegentlichen Empörung öffentlich bekannt zu machen. Man sieht leicht ein, dass, wenn man es bei der Stiftung einer Staatsverfassung zur Bedingung machen wollte, in gewissen vorkommenden Fällen gegen das Oberhaupt Gewalt auszuüben, so müsste das Volk sich einer rechtmäßigen Macht über jenes anmaßen. Alsdann wäre jenes aber nicht das Oberhaupt, oder, wenn beides zur Bedingung der Staatserrichtung gemacht würde, so würde gar keine möglich sein, welches doch die Absicht des Volks war. Das Unrecht des Aufruhrs leuchtet also dadurch ein, dass die Maxime desselben dadurch, dass man sich öffentlich dazu bekennte, seine eigene Absicht unmöglich machen würde. Man müsste sie also notwendig verheimlichen. - Das Letztere wäre aber von Seiten des Staatsoberhaupts eben nicht notwendig. Er kann frei heraus sagen, dass er jeden Aufruhr mit dem Tode der Rädelsführer bestrafen werde, diese mögen auch immer glauben, er habe seinerseits das Fundamentalgesetz zuerst übertreten; denn wenn er sich bewusst ist, die unwiderstehliche Obergewalt zu besitzen (welches auch in jeder bürgerlichen Verfassung so angenommen werden muss, weil der, welcher nicht Macht genug hat, einen jeden im Volk gegen den andern zu schützen, auch nicht das Recht hat, ihm zu befehlen), so darf er nicht sorgen, durch die Bekanntwerdung seiner Maxime seine eigene Absicht zu vereiteln, womit auch ganz wohl zusammenhängt, dass, wenn der Aufruhr dem Volk gelänge, jenes Oberhaupt in die Stelle des Untertans zurücktreten, eben sowohl keinen Wiedererlangungsaufruhr beginnen, aber auch nicht zu befürchten haben müsste, wegen seiner vormaligen Staatsführung zur Rechenschaft gezogen zu werden.

  1. Was das Völkerrecht betrifft. - Nur unter Voraussetzung irgend eines rechtlichen Zustandes (dies ist derjenigen äußeren Bedingung, unter der dem Menschen ein Recht wirklich zu Teil werden kann) kann von einem Völkerrecht die Rede sein; weil es, als ein öffentliches Recht, die Publikation eines, jedem das Seine bestimmenden, allgemeinen Willens schon in seinem Begriffe enthält, und dieser status iuridicus muss aus irgendeinem Vertrage hervorgehen, der nicht eben (gleich dem, woraus ein Staat entspringt) auf Zwangsgesetze gegründet sein darf, sondern allenfalls auch der einer fortwährend-freien Assoziation sein kann, wie der oben erwähnte der Föderalität verschiedener Staaten. Denn ohne irgendeinen rechtlichen Zustand, der die verschiedene (physische oder moralische) Personen tätig verknüpft, mithin im Naturstand, kann es kein anderes als bloß ein Privatrecht geben. - Hier tritt nun auch ein Streit der Politik mit der Moral (diese als Rechtslehre betrachtet) ein, wo dann jenes Kriterium der Publizität der Maximen gleichfalls seine leichte Anwendung findet, doch nur so: dass der Vertrag die Staaten nur in der Absicht verbindet, untereinander und zusammen gegen andere Staaten sich im Frieden zu erhalten, keineswegs aber um Erwerbungen zu machen. - Da treten nun folgende Fälle der Antinomie zwischen Politik und Moral ein, womit zugleich die Lösung derselben verbunden wird.

a) „Wenn einer dieser Staaten dem anderen etwas versprochen hat: es sei Hilfeleistung, oder Abtretung gewisser Länder, oder Subsidien u.d.gl., frägt sich, ob er sich in einem Fall, an dem des Staats Heil hängt, vom Worthalten dadurch losmachen kann, dass er sich in einer doppelten Person betrachtet wissen will, erstlich als Souverän, da er niemanden in seinem Staat verantwortlich ist; dann aber wiederum bloß als oberster Staatsbeamte, der dem Staat Rechenschaft geben müsse: da denn der Schluss dahin ausfällt, dass, wozu er sich in der ersteren Qualität verbindlich gemacht hat, davon werde er in der zweiten losgesprochen.“ - Wenn nun aber ein Staat (oder dessen Oberhaupt) diese seine Maxime laut werden ließe, so würde natürlicherweise entweder ein jeder andere ihn fliehen, oder sich mit anderen vereinigen, um seinen Anmaßungen zu widerstehen, welches beweist, dass Politik mit aller ihrer Schlauheit auf diesen Fuß (der Offenheit) ihren Zweck selber vereiteln, mithin jene Maxime unrecht sein müsse.

b) „Wenn eine bis zur furchtbaren Größe (potentia tremenda) angewachsene benachbarte Macht Besorgnis erregt: kann man annehmen, sie werde, weil sie kann, auch unterdrücken wollen, und gibt das der Mindermächtigen ein Recht zum (vereinigten) Angriffe derselben, auch ohne vorhergegangene Beleidigung?“ - Ein Staat, der seine Maxime hier bejahend verlautbaren wollte, würde das Übel nur noch gewisser und schneller herbeiführen. Denn die größere Macht würde der kleineren zuvorkommen, und, was die Vereinigung der Letzteren betrifft, so ist das nur ein schwacher Rohrstab gegen den, der das divide et impera zu benutzen weiß. - Diese Maxime der Staatsklugheit, öffentlich erklärt, vereitelt also notwendig ihre eigene Absicht, und ist folglich ungerecht.

c) „Wenn ein kleinerer Staat durch seine Lage den Zusammenhang eines größeren trennt, der diesem doch zu seiner Erhaltung nötig ist, ist dieser nicht berechtigt, jenen sich zu unterwerfen und mit dem seinigen zu vereinigen?“ - Man sieht leicht, dass der größere eine solche Maxime ja nicht vorher müsse laut werden lassen; denn, entweder die kleineren Staaten würden sich frühzeitig vereinigen, oder andere Mächtige würden um diese Beute streiten, mithin macht sie sich durch ihre Offenheit selbst untunlich; ein Zeichen, dass sie ungerecht ist und es auch in sehr hohem Grade sein kann; denn ein klein Objekt der Ungerechtigkeit hindert nicht, dass die daran bewiesene Ungerechtigkeit sehr groß sei.

  1. Was das Weltbürgerrecht betrifft, so übergehe ich es hier mit Stillschweigen; weil, wegen der Analogie desselben mit dem Völkerrecht, die Maximen desselben leicht anzugeben und zu würdigen sind.

Man hat hier nun zwar, an dem Prinzip der Unverträglichkeit der Maximen des Völkerrechts mit der Publizität, ein gutes Kennzeichen der Nichtübereinstimmung der Politik mit der Moral (als Rechtslehre). Nun bedarf man aber auch belehrt zu werden, welches denn die Bedingung ist, unter der ihre Maximen mit dem Recht der Völker übereinstimmen? Denn es lässt sich nicht umgekehrt schließen: dass, welche Maximen die Publizität vertragen, dieselbe darum auch gerecht sind; weil, wer die entschiedene Obermacht hat, seiner Maximen nicht Hehl haben darf. - Die Bedingung der Möglichkeit eines Völkerrechts überhaupt ist: dass zuvörderst ein rechtlicher Zustand existiere. Denn ohne diesen gibt's kein öffentliches Recht, sondern alles Recht, was man sich außer demselben denken mag (im Naturzustand), ist bloß Privatrecht. Nun haben wir oben gesehen: dass ein föderativer Zustand der Staaten, welcher bloß die Entfernung des Krieges zur Absicht hat, der einzige, mit der Freiheit derselben vereinbare, rechtliche Zustand sei. Also ist die Zusammenstimmung der Politik mit der Moral nur in einem föderativen Verein (der also nach Rechtsprinzipien a priori gegeben und notwendig ist) möglich, und alle Staatsklugheit hat zur rechtlichen Basis die Stiftung des Ersteren, in ihrem größtmöglichen Umfang, ohne welchen Zweck alle ihre Klügelei Unweisheit und verschleierte Ungerechtigkeit ist. - Diese Afterpolitik hat nun ihre Kasuistik, trotz der besten Jesuiterschule - die reservatio mentalis: in Abfassung öffentlicher Verträge, mit solchen Ausdrücken, die man gelegentlich zu seinem Vorteil auslegen kann, wie man will (z.B. den Unterschied des status quo de fait und de droit); - den Probabilismus: böse Absichten an anderen zu erklügeln, oder auch Wahrscheinlichkeiten ihres möglichen Übergewichts zum Rechtsgrund der Untergrabung anderer friedlicher Staaten zu machen; - endlich das peccatum philosophicum (peccatillum, bagatelle): Das Verschlingen eines kleinen Staats, wenn dadurch ein viel größerer, zum vermeintlich größeren Weltbesten, gewinnt, für eine leichtverzeihliche Kleinigkeit zu halten. 18

Den Vorschub hierzu gibt die Zweizüngigkeit der Politik in Ansehung der Moral, einen oder den andern Zweig derselben zu ihrer Absicht zu benutzen. - Beides, die Menschenliebe und die Achtung fürs Recht der Menschen, ist Pflicht; jene aber nur bedingte, diese dagegen unbedingte, schlechthin gebietende Pflicht, welche nicht übertreten zu haben derjenige zuerst völlig versichert sein muss, der sich dem süßen Gefühl des Wohltuns überlassen will. Mit der Moral im ersteren Sinne (als Ethik) ist die Politik leicht einverstanden, um das Recht der Menschen ihren Oberen Preis zu geben: Aber mit der in der zweiten Bedeutung (als Rechtslehre), vor der sie ihre Knie beugen müsste, findet sie es ratsam sich gar nicht auf Vertrag einzulassen, ihr lieber alle Realität abzustreiten, und alle Pflichten auf lauter Wohlwollen auszudeuten; welche Hinterlist einer lichtscheuen Politik doch von der Philosophie durch die Publizität jener ihrer Maximen leicht vereitelt werden würde, wenn jene es nur wagen wollte, dem Philosophen die Publizität der seinigen angedeihen zu lassen.

In dieser Absicht schlage ich ein anderes transzendentales und bejahendes Prinzip des öffentlichen Rechts vor, dessen Formel diese sein würde:

„Alle Maximen, die der Publizität bedürfen (um ihren Zweck nicht zu verfehlen), stimmen mit Recht und Politik vereinigt zusammen.“

Denn, wenn sie nur durch die Publizität ihren Zweck erreichen können, so müssen sie dem allgemeinen Zweck des Publikums (der Glückseligkeit) gemäß sein, womit zusammenzustimmen (es mit seinem Zustand zufrieden zu machen) die eigentliche Aufgabe der Politik ist. Wenn aber dieser Zweck nur durch die Publizität, dies ist durch die Entfernung alles Misstrauens gegen die Maximen derselben, erreichbar sein soll, so müssen diese auch mit dem Recht des Publikums in Eintracht stehen; denn in diesem allein ist die Vereinigung der Zwecke aller möglich. - Die weitere Ausführung und Erörterung dieses Prinzips muss ich für eine andere Gelegenheit aussetzen; nur dass es eine transzendentale Formel sei, ist aus der Entfernung aller empirischen Bedingungen (der Glückseligkeitslehre), als der Materie des Gesetzes und der bloßen Rücksicht auf die Form der allgemeinen Gesetzmäßigkeit zu ersehen.

Wenn es Pflicht, wenn zugleich gegründete Hoffnung da ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede, der auf die bisher fälschlich so genannte Friedensschlüsse (eigentlich Waffenstillstände) folgt, keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die, nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele (weil die Zeiten, in denen gleiche Fortschritte geschehen, hoffentlich immer kürzer werden) beständig näher kommt.


Dieses Traktat gehört zu den Grundlagendokumenten, welche in bei der Erstellung meines Buches „Europa ist für alle da!“ mit als Anhang verwendet habe und später dann dem Leser „online“ zur Verfügung stellte.

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  1. Ein Erbreich ist nicht ein Staat, der von einem anderen Staat, sondern dessen Recht zu regieren an eine andere physische Person vererbt werden kann. Der Staat erwirbt alsdann einen Regenten, nicht dieser als ein solcher (dies ist der schon ein anderes Reich besitzt) den Staat. ↩︎
  2. Ob es außer dem Gebot (leges praeceptivae) und Verbot (leges prohibitivae) noch Erlaubnisgesetze (leges permissivae) der reinen Vernunft geben könne, ist bisher nicht ohne Grund bezweifelt worden. Denn Gesetze überhaupt enthalten einen Grund objektiver praktischer Notwendigkeit, Erlaubnis aber einen der praktischen Zufälligkeit gewisser Handlungen; mithin würde ein Erlaubnisgesetz Nötigung zu einer Handlung, zu dem, wozu jemand nicht genötigt werden kann, enthalten, welches, wenn das Objekt des Gesetzes in beiderlei Beziehung einerlei Bedeutung hätte, ein Widerspruch sein würde. - Nun geht aber hier im Erlaubnisgesetze das vorausgesetzte Verbot nur auf die künftige Erwerbungsart eines Rechts (z.B. durch Erbschaft), die Befreiung aber von diesem Verbot, dies ist die Erlaubnis, auf den gegenwärtigen Besitzstand, welcher letztere, im Überschritt aus dem Naturzustand in den bürgerlichen, als ein, obwohl unrechtmäßiger, dennoch ehrlicher, Besitz (possessio putativa) nach einem Erlaubnisgesetz des Naturrechts noch fernerhin fortdauern kann, obgleich ein putativer Besitz, sobald er als ein solcher erkannt worden, im Naturzustand, im gleichen eine ähnliche Erwerbungsart im nachmaligen bürgerlichen (nach geschehenem Überschritt) verboten ist, welche Befugnis des fortdauernden Besitzes nicht stattfinden würde, wenn eine solche vermeintliche Erwerbung im bürgerlichen Zustande geschehen wäre; denn da würde er, als Läsion, sofort nach Entdeckung seiner Unrechtmäßigkeit aufhören müssen.

    Ich habe hiermit nur beiläufig die Lehrer des Naturrechts auf den Begriff einer lex permissiva, welcher sich einer systematisch-einteilenden Vernunft von selbst darbietet, aufmerksam machen wollen; vornehmlich, da im Zivilgesetze (statuarischen) öfters davon Gebrauch gemacht wird, nur mit dem Unterschiede, dass das Verbotsgesetz für sich allein dasteht, die Erlaubnis aber nicht als einschränkende Bedingung (wie es sollte) in jenes Gesetz mit hinein gebracht, sondern unter die Ausnahmen geworfen wird. - Da heißt es dann: dies oder jenes wird verboten: es sei denn Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, und so weiter ins Unabsehliche, die Erlaubnisse nur zufälliger Weise, nicht nach einem Prinzip, sondern durch Herumtappen unter vorkommenden Fällen, zum Gesetz hinzukommen; denn sonst hätten die Bedingungen in die Formel des Verbotsgesetzes mit hineingebracht werden müssen, wodurch es dann zugleich ein Erlaubnisgesetz geworden wäre. - Es ist daher zu bedauern, dass die sinnreiche, aber unaufgelöst gebliebene, Preisaufgabe des ebenso weisen als scharfsinnigen Herrn Grafen [Gottlieb] von Windisch-Graetz, welche gerade auf das Letztere drang, sobald verlassen worden. Denn die Möglichkeit einer solchen (der mathematischen ähnlichen) Formel ist der einzige echte Probierstein einer konsequent bleibenden Gesetzgebung, ohne welche das so genannte ius certum immer ein frommer Wunsch bleiben wird, - Sonst wird man bloß generale Gesetze (die im allgemeinen gelten), aber keine universale (die allgemein gelten) haben, wie es doch der Begriff eines Gesetzes zu erfordern scheint.

  3. Allgemein nimmt man an, dass man gegen niemanden feindlich verfahren dürfe, als nur, wenn er mich schon tätig lädiert hat, und das ist auch ganz richtig, wenn beide im bürgerlich-gesetzlichen Zustande sind. Denn dadurch, dass dieser in denselben getreten ist, leistet er jenem (vermittelst der Obrigkeit, welche über beide Gewalt hat) die erforderliche Sicherheit. - Der Mensch aber (oder das Volk) im bloßen Naturzustand benimmt mir diese Sicherheit, und lädiert mich schon durch eben diesen Zustand, indem er neben mir ist, obgleich nicht tätig (facto), doch durch die Gesetzlosigkeit seines Zustandes (statu iniusto), wodurch ich beständig von ihm bedroht werde, und ich kann ihn nötigen, entweder mit mir in einen gemeinschaftlich-gesetzlichen Zustand zu treten, oder aus meiner Nachbarschaft zu weichen. - Das Postulat also, was allen folgenden Artikeln zum Grunde liegt, ist: Alle Menschen, die auf einander wechselseitig einfließen können, müssen zu irgend einer bürgerlichen Verfassung gehören.

    Alle rechtliche Verfassung aber ist, was die Personen betrifft, die darin stehen,

    1) die nach dem Staatsbürgerrecht der Menschen, in einem Volke (ius civitatis),

    2) nach dem Völkerrecht der Staaten in Verhältnis gegen einander (ius gentium),

    3) die nach dem Weltbürgerrecht, so fern Menschen und Staaten, in äußerem auf einander einfließendem Verhältnis stehend, als Bürger eines allgemeinen Menschenstaats anzusehen sind (ius cosmopoliticum). Diese Einteilung ist nicht willkürlich, sondern notwendig in Beziehung auf die Idee vom ewigen Frieden. Denn wenn nur einer von diesen im Verhältnisse des physischen Einflusses auf den andern, und doch im Naturstande wäre, so würde damit der Zustand des Krieges verbunden sein, von dem befreit zu werden hier eben die Absicht ist.

  4. Rechtliche (mithin äußere) Freiheit kann nicht, wie man wohl zu tun pflegt, durch die Befugnis definiert werden: „alles zu tun, was man will, wenn man nur keinem Unrecht tut“. Denn was heißt Befugnis? Die Möglichkeit einer Handlung, sofern man dadurch keinem Unrecht tut. Also würde die Erklärung so lauten: „Freiheit ist die Möglichkeit der Handlungen, dadurch man keinem Unrecht tut. Man tut keinem Unrecht (man mag auch tun was man will), wenn man nur keinem Unrecht tut“: folglich ist es leere Tautologie. - Vielmehr ist meine äußere (rechtliche) Freiheit so zu erklären: sie ist die Befugnis, keinen äußeren Gesetzen zu gehorchen, als zu denen ich meine Zustimmung habe geben können. - Eben so ist äußere (rechtliche) Gleichheit in einem Staate dasjenige Verhältnis der Staatsbürger, nach welchem keiner den andern wozu rechtlich verbinden kann, ohne daß er sich zugleich dem Gesetz unterwirft, von diesem wechselseitig auf dieselbe Art auch verbunden werden zu können. (Vom Prinzip der rechtlichen Abhängigkeit, da dieses schon in dem Begriffe einer Staatsverfassung überhaupt liegt, bedarf es keiner Erklärung.) - Die Gültigkeit dieser angeborenen, zur Menschheit notwendig gehörenden und unveräußerlichen Rechte wird durch das Prinzip der rechtlichen Verhältnisse des Menschen selbst zu höheren Wesen (wenn er sich solche denkt) bestätigt und erhoben, indem er sich nach eben denselben Grundsätzen auch als Staatsbürger einer übersinnlichen Welt vorstellt. - Denn, was meine Freiheit betrifft, so habe ich, selbst in Ansehung der göttlichen, von mir durch bloße Vernunft erkennbaren Gesetze, keine Verbindlichkeit, als nur sofern ich dazu selber habe meine Zustimmung geben können (denn durchs Freiheitsgesetz meiner eigenen Vernunft mache ich mir allererst einen Begriff vom göttlichen Willen). Was in Ansehung des erhabensten Weltwesens außer Gott, welches ich mir etwa denken möchte (einen großen Äon), das Prinzip der Gleichheit betrifft, so ist kein Grund da, warum ich, wenn ich in meinem Posten meine Pflicht tue, wie jener Äon es in dem seinigen, mir bloß die Pflicht zu gehorchen, jenem aber das Recht zu befehlen zukommen solle. - Dass dieses Prinzip der Gleichheit nicht (so wie das der Freiheit) auch auf das Verhältnis zu Gott passt, davon ist der Grund dieser, weil dieses Wesen das einzige ist, bei dem der Pflichtbegriff aufhört.

    Was aber das Recht der Gleichheit aller Staatsbürger, als Untertanen, betrifft, so kommt es in Beantwortung der Frage von der Zulässigkeit des Erbadels allein darauf an: „ob der vom Staat zugestandene Rang (eines Untertans vor dem andern) vor dem Verdienst, oder dieses vor jenem vorhergehen müsse“. - Nun ist offenbar: dass, wenn der Rang mit der Geburt verbunden wird, es ganz ungewiss ist, ob das Verdienst (Amtsgeschicklichkeit und Amtstreue) auch folgen werde; mithin ist es eben so viel, als ob er ohne alles Verdienst dem Begünstigten zugestanden würde (Befehlshaber zu sein); welches der allgemeine Volkswille in einem ursprünglichen Vertrage (der doch das Prinzip aller Rechte ist) nie beschließen wird. Denn ein Edelmann ist darum nicht so fort ein edler Mann. - Was den Amtsadel (wie man den Rang einer höheren Magistratur nennen könnte, und den man sich durch Verdienste erwerben muss) betrifft, so klebt der Rang da nicht, als Eigentum, an der Person, sondern am Posten, und die Gleichheit wird dadurch nicht verletzt; weil, wenn jene ihr Amt niederlegt, sie zugleich den Rang ablegt, und unter das Volk zurücktritt. -

  5. Man hat die hohe Benennungen, die einem Beherrscher oft beigelegt werden (die eines göttlichen Gesalbten, eines Verwesers des göttlichen Willens auf Erden und Stellvertreters desselben), als grobe, schwindlig machende Schmeicheleien oft getadelt; aber mich dünkt, ohne Grund. - Weit gefehlt, dass sie den Landesherrn sollten hochmütig machen, so müssen sie ihn vielmehr in seiner Seele demütigen, wenn er Verstand hat (welches man doch voraussetzen muss), und es bedenkt, dass er ein Amt übernommen habe, was für einen Menschen zu groß ist, nämlich das Heiligste, was Gott auf Erden hat, das Recht der Menschen zu verwalten, und diesem Augapfel Gottes irgend worin zu nahe getreten zu sein jederzeit in Besorgnis stehen muss. ↩︎
  6. [Jacques] Mallet-du-Pan rühmt in seiner genietönenden, aber hohlen und sachleeren Sprache: nach vieljähriger Erfahrung endlich zur Überzeugung von der Wahrheit des bekannten Spruchs des [Alexander] Pope gelangt zu sein: „Lass über die beste Regierung Narren streiten; die bestgeführte ist die beste“. Wenn das soviel sagen soll: die am besten geführte Regierung ist am besten geführt, so hat er, nach [Jonathan] Swifts Ausdruck, eine Nuss aufgebissen, die ihn mit einer Made belohnte; soll es aber bedeuten, sie sei auch die beste Regierungsart, das ist Staatsverfassung, so ist es grundfalsch; denn Exempel von guten Regierungen beweisen nichts für die Regierungsart. - Wer hat wohl besser regiert als ein Titus und Marcus Aurelius, und doch hinterließ der eine einen Domitian, der andere einen Commodus zu Nachfolgern; welches bei einer guten Staatsverfassung nicht hätte geschehen können, da ihre Untauglichkeit zu diesem Posten früh genug bekannt war, und die Macht des Beherrschers auch hinreichend war, um sie auszuschließen. ↩︎
  7. So gab ein bulgarischer Fürst dem griechischen Kaiser, der gutmütiger Weise seinen Streit mit ihm durch einen Zweikampf ausmachen wollte, zur Antwort: „Ein Schmied, der Zangen hat, wird das glühende Eisen aus den Kohlen nicht mit seinen Händen herauslangen“. ↩︎
  8. Von böser Raserei erfüllt, schnaubt der Schreckliche aus grauenhaftem Maul. ↩︎
  9. Nach einem beendigten Krieg, beim Friedensschluss, möchte es wohl für ein Volk nicht unschicklich sein, dass nach dem Dankfest ein Bußtag ausgeschrieben würde, den Himmel, im Namen des Staats, um Gnade für die große Versündigung anzurufen, die das menschliche Geschlecht sich noch immer zu Schulden kommen lässt, sich keiner gesetzlichen Verfassung, im Verhältnis auf andere Völker, fügen zu wollen, sondern stolz auf seine Unabhängigkeit lieber das barbarische Mittel des Krieges (wodurch doch das, was gesucht wird, nämlich das Recht eines jeden Staats nicht ausgemacht wird) zu gebrauchen. - Die Dankfeste während dem Krieg über einen erfochtenen Sieg, die Hymnen, die (auf gut israelitisch) dem Herrn der Heerscharen gesungen werden, stehen mit der moralischen Idee des Vaters der Menschen in nicht minder starkem Kontrast; weil sie außer der Gleichgültigkeit wegen der Art, wie Völker ihr gegenseitiges Recht suchen (die traurig genug ist), noch eine Freude hineinbringen, recht viel Menschen, oder ihr Glück vernichtet zu haben. ↩︎
  10. Um dieses große Reich mit dem Namen, womit es sich selbst benennt, zu schreiben (nämlich China, nicht Sina, oder einen diesem ähnlichen Laut), darf man nur Georgii Alphabet Tibet, Seite 651-654, vornehmlich Nota b unten, nachsehen. - Eigentlich führt es, nach des Petersburger Prof. [Johann Eberhard] Fischers Bemerkung, keinen bestimmten Namen, womit es sich selbst benennt; der gewöhnlichste ist noch der des Worts Kin, nämlich Gold (welches die Tibetaner mit Ser ausdrücken), daher der Kaiser König des Goldes (des herrlichsten Landes von der Welt) genannt wird, welches Wort wohl im Reiche selbst wie Chin lauten, aber von den italienischen Missionarien (des Gutturalbuchstabens wegen) wie Kin ausgesprochen sein mag. - Hieraus ersieht man dann, dass das von den Römern sogenannte Land der Serer China war, die Seide aber über Groß-Tibet (vermutlich durch Klein-Tibet und die Bucharei über Persien, so weiter) nach Europa gefördert worden, welches zu manchen Betrachtungen über das Altertum dieses erstaunlichen Staats, im Vergleich mit dem von Hindustan, beim Verknüpfung mit Tibet, und, durch dieses, mit Japan, hinleitet; indessen dass der Name Sina, oder Tschina, den die Nachbarn diesem Lande geben sollen, zu nichts hinführt. - Vielleicht lässt sich auch die uralte, ob zwar nie recht bekannt gewordene Gemeinschaft Europas mit Tibet aus dem, was uns Hesychius hiervon aufbehalten hat, nämlich dem Zuruf Konx Ompax des Hierophanten in den Eleusinischen Geheimnissen erklären. (S. Reise des jüngeren Anacharsis, fünfter Teil, S. 447 u. f.) - Denn nach Georgii Alphabet Tibet, bedeutet das Wort Concioa Gott, welches eine auffallende Ähnlichkeit mit Konx hat. Pah-cio (ib. Seite 520), welches von den Griechen leicht wie pax ausgesprochen werden konnte, promulgator legis, die durch die ganze Natur verteilte Gottheit (auch Cenresi genannt, Seite 177). - Om aber, welches [Maturin Veyssière de] La Croze durch benedictus, gesegnet, übersetzt, kann, auf die Gottheit angewandt, wohl nichts anders als den Seliggepriesenen bedeuten, Seite 507. Da nun P. Franz. Horatius von den Tibetanischen Lamas, die er oft befrug, was sie unter Gott (Concioa) verständen, jederzeit die Antwort bekam: „es ist die Versammlung aller Heiligen“ das ist der seligen durch die Lamaische Wiedergeburt, nach vielen Wanderungen durch allerlei Körper, endlich in die Gottheit zurückgekehrten, in Burchane, das ist anbetungswürdige Wesen, verwandelten Seelen (Seite 223), so wird jenes geheimnisvolle Wort, Konx Ompax, wohl das heilige (Konx), selige (Om) und weise (Pax), durch die Welt überall verbreitete höchste Wesen (die personifizierte Natur) bedeuten sollen, und, in den griechischen Mysterien gebraucht, wohl den Monotheismus für die Epopten, im Gegensatz mit dem Polytheismus des Volks angedeutet haben; obwohl P. Horatius (a. a. 0.) hierunter einen Atheismus witterte. - Wie aber jenes geheimnisvolle Wort über Tibet zu den Griechen gekommen, lässt sich auf obige Art erklären und umgekehrt dadurch auch das frühe Verkehr Europas mit China über Tibet (vielleicht eher noch als mit Hindustan) wahrscheinlich machen. ↩︎
  11. Im Mechanismus der Natur, wozu der Mensch (als Sinneswesen) mit gehört, zeigt sich eine ihrer Existenz schön zum Grunde liegende Form, die wir uns nicht anders begreiflich machen können, als indem wir ihr den Zweck eines sie vorher bestimmenden Welturhebers unterlegen, dessen Vorherbestimmung wir die (göttliche) Vorsehung überhaupt, und, sofern sie in den Anfang der Welt gelegt wird, die gründende (providentia conditrix; semel iussit, semper parent, Augustin.), im Laufe der Natur aber, diesen nach allgemeinen Gesetzen der Zweckmäßigkeit zu erhalten, die waltende Vorsehung (providentia gubernatrix), ferner zu besonderen, aber von dem Menschen nicht vorherzusehenden, sondern nur aus dem Erfolg vermuteten Zwecken die leitende (providentia directrix), endlich sogar in Ansehung einzelner Begebenheiten, als göttlicher Zweck, nicht mehr Vorsehung, sondern Fügung (directio extraordinaria) nennen, welche aber (da sie in der Tat auf Wunder hinweiset, obgleich die Begebenheiten nicht so genannt werden) als solche erkennen zu wollen törichte Vermessenheit des Menschen ist; weil aus einer einzelnen Begebenheit auf ein besonderes Prinzip der wirkenden Ursache (dass diese Begebenheit Zweck, und nicht bloß naturmechanische Nebenfolge aus einem anderen uns ganz unbekannten Zweck sei) zu schließen ungereimt und voll Eigendünkel ist, so fromm und demütig auch die Sprache hierüber lauten mag. - Ebenso ist auch die Einteilung der Vorsehung (materialiter betrachtet), wie sie auf Gegenstände in der Welt geht, in die allgemeine und besondere, falsch und sich selbst widersprechend (dass sie z.B. zwar eine Vorsorge zur Erhaltung der Gattungen der Geschöpfe sei, die Individuen aber dem Zufall überlasse); denn sie wird eben in der Absicht allgemein genannt, damit kein einziges Ding als davon ausgenommen gedacht werde. - Vermutlich hat man hier die Einteilung der Vorsehung (formaliter betrachtet) nach der Art der Ausführung ihrer Absicht gemeint: nämlich in ordentliche (z.B. das jährliche Sterben und Wiederaufleben der Natur nach dem Wechsel der Jahreszeiten) und außerordentliche (z.B. die Zuführung des Holzes an die Eisküsten, das da nicht wachsen kann, durch die Meerströme, für die dortigen Einwohner, die ohne das nicht leben konnten) wo, ob wir gleich die physisch-mechanische Ursache dieser Erscheinungen uns gut erklären können (z.B. durch die mit Holz bewachsene Ufer der Flüsse der temperierten Länder, in welche jene Bäume hineinfallen, und etwa durch den Golfstrom weiter verschleppt werden), wir dennoch auch die teleologische nicht übersehen müssen, die auf die Vorsorge einer über die Natur gebietenden Weisheit hinweiset. - Nur was den in den Schulen gebräuchlichen Begriff eines göttlichen Beitritts, oder Mitwirkung (concursus) zu einer Wirkung in der Sinneswelt betrifft, so muss dieser wegfallen. Denn das Ungleichartige paaren wollen (gryphes iungere equis) und den, der selbst die vollständige Ursache der Weltveränderungen ist, seine eigene prädeterminierende Vorsehung während dem Weltlaufe ergänzen zu lassen (die also mangelhaft gewesen sein müsste), z.B. zu sagen, dass nächst Gott der Arzt den Kranken zurecht gebracht habe, also als Beistand dabei gewesen sei, ist erstens an sich widersprechend. Denn causa solitaria non iuvat. Gott ist der Urheber des Arztes samt allen seinen Heilmitteln, und so muss ihm, wenn man ja bis zum höchsten, uns theoretisch unbegreiflichen Urgrunde hinaufsteigen will, die Wirkung ganz zugeschrieben werden. Oder man kann sie auch ganz dem Arzt zuschreiben, so fern wir diese Begebenheit als nach der Ordnung der Natur erklärbar in der Kette der Weltursachen verfolgen. Zweitens bringt eine solche Denkungsart auch um alle bestimmte Prinzipien der Beurteilung eines Effekts. Aber in moralisch-praktischer Absicht (die also ganz aufs Übersinnliche gerichtet ist), z.B. in dem Glauben, dass Gott den, Mangel unserer eigenen Gerechtigkeit, wenn nur unsere Gesinnung echt war, auch durch uns unbegreifliche Mittel ergänzen werde, wir also in der Bestrebung zum Guten nichts nachlassen sollen, ist der Begriff des göttlichen Concursus ganz schicklich und sogar notwendig; wobei es sich aber von selbst versteht, dass niemand eine gute Handlung (als Begebenheit in der Welt) hieraus zu erklären versuchen muss, welches ein vorgebliches theoretisches Erkenntnis des Übersinnlichen, mithin ungereimt ist. ↩︎
  12. Unter allen Lebensweisen ist das Jagdleben ohne Zweifel der gesitteten Verfassung am meisten zuwider; weil die Familien, die sich da vereinzeln müssen, einander bald fremd und sonach, in weitläufigen Wäldern zerstreut, auch bald feindselig werden, da eine jede zu Erwerbung ihrer Nahrung und Kleidung viel Raum bedarf. - Das Noachische Blutverbot, 1. Mose 9, 4-6 [Nur dürft ihr das Fleisch nicht essen, während sein Leben, sein Blut, noch in ihm ist! Jedoch euer eigenes Blut will ich fordern, von der Hand aller Tiere will ich es fordern und von der Hand des Menschen, von der Hand seines Bruders will ich das Leben des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn im Bild Gottes hat Er den Menschen gemacht.] (welches, öfters wiederholt, nachher gar den neuangenommenen Christen aus dem Heidentum, ob zwar in anderer Rücksicht, von den Judenchristen zur Bedingung gemacht wurde, Apostelgeschichte XV, 20 [dass ihr euch enthaltet vom Götzenopferfleisch und vom Blut und vom Erstickten und von Unzucht]. XXI, 25 [Wegen der gläubig gewordenen Heiden aber haben wir beschlossen und geschrieben, dass sie sich hüten sollen vor dem Götzenopferfleisch, vor Blut, vor Ersticktem und vor Unzucht.] ) scheint uranfänglich nichts anders, als das Verbot des Jägerlebens gewesen zu sein; weil in diesem der Fall, das Fleisch roh zu essen, oft eintreten muss, mit dem Letzteren also das Erstere zugleich verboten wird. ↩︎
  13. Man könnte fragen: Wenn die Natur gewollt hat, diese Eisküsten sollten nicht unbewohnt bleiben, was wird aus ihren Bewohnern, wenn sie ihnen dereinst (wie zu erwarten ist) kein Treibholz mehr zuführete? Denn es ist zu glauben, dass bei fortrückender Kultur, die Einwohner der temperierten Erdstriche das Holz, was an den Ufern ihrer Ströme wächst, besser benutzen, es nicht in die Ströme fallen, und so in die See wegschwemmen lassen werden. Ich antworte: Die Anwohner des Obstroms, des Jenissei, des Lena u.s.w. werden es ihnen durch Handel zuführen, und dafür die Produkte aus dem Tierreich, woran das Meer an den Eisküsten so reich ist, einhandeln; wenn sie (die Natur) nur allererst den Frieden unter ihnen erzwungen haben wird. ↩︎
  14. Verschiedenheit der Religionen: ein wunderlicher Ausdruck! gerade, als ob man auch von verschiedenen Moralen spräche. Es kann wohl verschiedene Glaubensarten historischer, nicht in die Religion, sondern in die Geschichte der zu ihrer Beförderung gebrauchten, ins Feld der Gelehrsamkeit einschlagender Mittel und ebenso verschiedene Religionsbücher (Zendavesta, Vedam, Koram u.s.w.) geben, aber nur eine einzige, für alle Menschen und in allen Zeiten gültige Religion. Jene also können wohl nichts anders als nur das Vehikel der Religion, was zufällig ist, und nach Verschiedenheit der Zeiten und Örter verschieden sein kann, enthalten. ↩︎
  15. Über das Können hinaus wird niemand verpflichtet. ↩︎
  16. Dies sind Erlaubnisgesetze der Vernunft, den Stand eines mit Ungerechtigkeit behafteten öffentlichen Rechts noch so lange beharren zu lassen, bis zur völligen Umwälzung alles entweder von selbst gereift, oder durch friedliche Mittel der Reife nahe gebracht worden; weil doch irgend eine rechtliche, obzwar nur in geringem Grade rechtmäßige, Verfassung besser ist als gar keine, welches letztere Schicksal (der Anarchie) eine übereilte Reform treffen würde. - Die Staatsweisheit wird sich also in dem Zustande, worin die Dinge jetzt sind, Reformen, dem Ideal des öffentlichen Rechts angemessen, zur Pflicht machen: Revolutionen aber, wo sie die Natur von selbst herbei führt, nicht zur Beschönigung einer noch größeren Unterdrückung, sondern als Ruf der Natur benutzen, eine auf Freiheitsprinzipien gegründete gesetzliche Verfassung, als die einzige dauerhafte, durch gründliche Reform zu Stande zu bringen. ↩︎
  17. Wenngleich eine gewisse in der menschlichen Natur gewurzelte Bösartigkeit von Menschen, die in einem Staat zusammen leben, noch bezweifelt, und, statt ihrer, der Mangel einer noch nicht weit genug fortgeschrittenen Kultur (die Rohigkeit) zur Ursache der gesetzwidrigen Erscheinungen ihrer Denkungsart mit einigem Scheine angeführt werden möchte, so fällt sie doch, im äußeren Verhältnis der Staaten gegeneinander, ganz unverdeckt und unwidersprechlich in die Augen. Im Innern jedes Staats ist sie durch den Zwang der bürgerlichen Gesetze verschleiert, weil der Neigung zur wechselseitigen Gewalttätigkeit der Bürger eine größere Gewalt, nämlich die der Regierung, mächtig entgegenwirkt, und so nicht allein dem Ganzen einen moralischen Anstrich (causae non causae) gibt, sondern auch dadurch, dass dem Ausbruch gesetzwidriger Neigungen ein Riegel vorgeschoben wird, die Entwicklung der moralischen Anlage, zur unmittelbaren Achtung fürs Recht, wirklich viel Erleichterung bekommt. - Denn ein jeder glaubt nun von sich, dass er wohl den Rechtsbegriff heilig halten und treu befolgen würde, wenn er sich nur von jedem anderen eines Gleichen gewärtigen könnte; welches letztere ihm die Regierung zum Teil sichert; wodurch dann ein großer Schritt zur Moralität (obgleich noch nicht moralischer Schritt) getan wird, diesem Pflichtbegriff auch um sein selbst willen, ohne Rücksicht auf Erwiderung, anhänglich zu sein. - Da ein jeder aber, bei seiner guten Meinung von sich selber, doch die böse Gesinnung bei allen anderen voraussetzt, so sprechen sie einander wechselseitig ihr Urteil: dass sie alle, was das Faktum betrifft, wenig taugen (woher es komme, da es doch der Natur des Menschen, als eines freien Wesens, nicht Schuld gegeben werden kann, mag unerörtert bleiben). Da aber doch auch die Achtung für den Rechtsbegriff, deren der Mensch sich schlechterdings nicht entschlagen kann, die Theorie des Vermögens, ihm angemessen zu werden, auf das Feierlichste sanktioniert, so sieht ein jeder, dass er seinerseits jenem gemäß handeln müsse, andere mögen es halten, wie sie wollen. ↩︎
  18. Die Belege zu solchen Maximen kann man in Herrn Hofrat [Christian] Garves Abhandlung: „Über die Verbindung der Moral mit der Politik, 1788“, antreffen. Dieser würdige Gelehrte gesteht gleich zu Anfang, eine genugtuende Antwort auf diese Frage nicht geben zu können. Aber sie dennoch gut zu heißen, ob zwar mit dem Geständnis, die dagegen sich regende Einwürfe nicht völlig heben zu können, scheint doch eine größere Nachgiebigkeit gegen die zu sein, die sehr geneigt sind, sie zu missbrauchen, als wohl ratsam sein möchte, einzuräumen. ↩︎